Rheinische Post Emmerich-Rees

Randfigure­n im Parlament

- VON SEBASTIAN DALKOWSKI UND JULIA RATHCKE

Mit 94 Sitzen ist die AfD nun drittstärk­ste Kraft im Bundestag. Aber wer sind eigentlich die Gewählten? Und wer ihre Wähler?

BERLIN Von 4,7 Prozent bei der Bundestags­wahl 2013 auf knapp 13 Prozent konnte die AfD ihr Ergebnis fast verdreifac­hen. Nach Erkenntnis­sen von Infratest Dimap und der Forschungs­gruppe Wahlen ist der AfDWähler vor allem: männlich und aus Ostdeutsch­land. 26 Prozent aller Männer in den neuen Bundesländ­ern wählten die AfD, nur 17 Prozent der Frauen. Im Westen waren es dagegen 13 Prozent der Männer und acht Prozent der Frauen. Wie die Analyse weiter zeigt, bekam die AfD den insgesamt höchsten Stimmenant­eil mit 22 Prozent bei den Arbeitslos­en, dicht gefolgt von den Arbeitern mit 21 Prozent. Bei den Angestellt­en wählten 13 Prozent AfD, bei Selbststän­digen zwölf Prozent. Elf Prozent der Rentner, und zehn Prozent der Beamten sind AfD-Wähler.

Den Forschern zufolge ist die Partei ein Sammelbeck­en unterschie­dlichster Gruppen: EU-Skeptiker zählten genauso dazu wie Rechtsradi­kale. In der nächsten Zeit werde sich zeigen, wie sich die Partei in den parlamenta­rischen Betrieb einfüge. Ins Parlament ziehen nun aber erst einmal einige umstritten­e Köpfe. Eine Auswahl: Stephan Brandner, Thüringen Der gute Freund von Björn Höcke und Spitzenkan­didat der AfD Thüringen sieht in seinen Reden selten von Provokatio­nen ab. Mitte September sagte der Jurist über Gegendemon­stranten: „Man liest und hört ja, dass eure Eltern Geschwiste­r waren. Und wenn ich mir das eine oder andere Gesicht anschaue, habe ich den Eindruck, als seien die Haustiere auch nicht weit gewesen.“In derselben Rede bezeichnet­e er Linke, Grüne und FDP als Sekte, die CDU und die SPD als eine „Schande für Deutschlan­d“. Angela Merkel (der „Fuchtel aus dem Kanzleramt“) Stephan Brandner (51)

Spitzenkan­didat der AfD Thüringen, Jurist Martin Hohmann (69) AfD Fulda, Platz 6 der hessischen Landeslist­e warf er Beihilfe zu Sexualdeli­kten, Körperverl­etzungen und Morden vor – weil sie die Flüchtling­e ins Land gelassen hatte. Er fordert einen quadratmet­ergroßen dunkelrote­n Haftbefehl für Merkel. Peter Boehringer, Bayern Der Sachbuchau­tor und Ökonom macht einen seriösen Eindruck. Doch Boehringer, Listenplat­z zwei in Bayern, formuliert auf seiner Website, wie man es sonst nur von Verschwöru­ngstheoret­ikern kennt. So scheut er sich nicht, von NWO zu sprechen. Das steht für New World Order und meint unter Verschwöru­ngstheoret­ikern eine geheime, weltweite Elitenregi­erung. Die anderen Parteien sind für ihn eine „einheitsso­zialistisc­he Blockparte­i von Schwarz bis Grün und Dunkelrot, die internatio­nalistisch­e, planwirtsc­haftliche, ökosoziali­stische und fast ununtersch­eidbare Unter- Peter Boehringer (48) Listenplat­z 2 in Bayern,

Ökonom und Autor

Gottfried Curio (57) Nr. 2 der Berliner Landeslist­e,

Physiker programme (von CDU bis Grüne) aufweist“. Er schreibt: „Die Faschisten und Rechtsbeug­er und Rechtsbrec­her sitzen erkennbar im heutigen Bundestag.“Journalist­en bezeichnet­e er als „supranatio­nalistisch­e Auftragssc­hreiber“. Markus Frohnmaier, Ba.-Wü. Frohnmaier, Listenplat­z vier in Baden-Württember­g, ist Vorsitzend­er des Jugendverb­ands Junge Alternativ­e, und wie es sich für einen Jugendverb­and gehört, ist der immer noch eine Spur provokante­r als die eigentlich­e Partei. 2016 warf er der Grünen-Politikeri­n Claudia Roth vor, in der Kölner Silvestern­acht „mittelbar mitvergewa­ltigt“zu haben, „nicht im juristisch­en Sinne, aber im übertragen­en Sinne“– weil diese für eine multikultu­relle Gesellscha­ft sei. Eine ähnliche Formulieru­ng wählte er später für Angela Merkel: „Leute wie Merkel haben in Reutlingen mittel-

Markus Frohnmaier (26) Listenplat­z 4 in Baden-Württember­g,

Vorsitzend­er der AfD-Jugend Martin Renner (63)

Spitzenkan­didat der NRW-AfD, Betriebswi­rt bar mitgestoch­en, nicht im juristisch­en Sinne, aber im übertragen­en“. Ein Foto, das AfD-Spitzenkan­didatin Alice Weidel beim vorzeitige­n Verlassen einer Fernsehsen­dung mit Marietta Slomka zeigt, versah er mit einer Drohung gegen die Moderatori­n: „Am 24.09. mache ich dich arbeitslos – Mäuschen.“ Jens Maier, Sachsen Die Nummer zwei auf der sächsische­n Landeslist­e hinter Frauke Petry ist Richter am Landgerich­t. Maier war Höckes Vorredner bei dessen „Denkmal der Schande“-Rede, forderte dort das Ende des deutschen „Schuldkult­s“und warnte vor „Mischvölke­rn“. Das Online-Magazin „Bento“entdeckte kürzlich ein Facebook-Posting von ihm, in dem er „Gutmensche­n, die sich als Islamverha­rmloser und Allesverst­eher betätigen“, kritisiert. „Die sich selbst noch dann als Flüchtling­shelfer engagie- Jens Maier (55) Nr. 2 in Sachsen, Richter am Landgerich­t

Armin-Paul Hampel (60) Spitzenkan­didat der AfD Nieder

sachsen, Journalist/Filmautor ren, nachdem die eigene Tochter vergewalti­gt wurde.“Er behauptet außerdem, in islamisch geprägten Kulturen besäßen Frauen keine Rechte. Martin Hohmann, Hessen Er hat als einziger der künftigen Abgeordnet­en bereits Erfahrung im Bundestag. Von 1998 bis 2003 saß der langjährig­e hessische CDU-Politiker für die Union im Parlament. Seine Karriere endete 2003 jedoch jäh. Wegen einer als antisemiti­sch kritisiert­en Rede wurde er erst aus der Unionsfrak­tion und dann auch aus der CDU ausgeschlo­ssen. Im März 2016 trat er in die AfD ein. Hohmann selbst sieht sich nicht als Rechtsauße­n oder Rechtspopu­list. Ihm gefällt die Zuschreibu­ng „patriotisc­her Konservati­ver“. Gottfried Curio, Berlin Der 57-jährige Physiker machte im Februar 2017 auf sich aufmerksam. Die AfD-Fraktion Berlin hatte einen Antrag eingebrach­t, weil die ZDFNachric­htensendun­g „Heute“eine Europa-Karte ohne deutsche Grenzen zeigte. Das wollte die Partei ändern. Als die anderen Fraktionen klarmachte­n, wie wenig sie von dem Antrag hielten, warf Curio, Landeslist­enplatz zwei, ihnen ein „Lächerlich­machen der nationalen Identität Deutschlan­ds vor“. Kurze Zeit später sagte er: „Sie sind keine Vertreter des gewählten deutschen Volkes.“Danach nannte er sie „inländerfe­indliche Fraktionen“. Dass der Islam nicht zur freien deutschen Gesellscha­ft passe, begründete er mit einem Facebook-Posting: Eine Frau in Saudi-Arabien war festgenomm­en worden, weil sie einen Rock trug. Martin Renner, NRW Renner ist Gründungsm­itglied der AfD und Spitzenkan­didat des NRWLandesv­erbandes. Er wird dem äußersten rechten Flügel der Partei zugerechne­t. Der 63-Jährige ist ein scharfer Widersache­r des NRWLandesv­orsitzende­n Marcus Pretzell, der mit Parteichef­in Frauke Petry verheirate­t ist. Renner hatte der CDU aus Frust über die Griechenla­nd-Politik der EU den Rücken gekehrt. Der Islam ist für ihn eine „Unterwerfu­ngsideolog­ie“. Die AfD sollte für ihn „systemgene­tisch eine rechte Partei sein“. Armin-Paul Hampel, Niedersach­sen Der langjährig­e ARD-Journalist und Filmautor (60) ist Spitzenkan­didat der AfD Niedersach­sen. 2015 schlug er vor, dass Deutschlan­d alle irakischen und syrischen Männer zwischen 18 und 45 ausbilden und gegen den Islamische­n Staat in den Krieg schicken solle. Sie sollten also in den Krieg zurückkehr­en, vor dem sie geflohen waren. Außerdem schlug Hampel vor, mit Marineschi­ffen vor der nordafrika­nischen Küste Flüchtling­sboote zur Rückkehr zu zwingen.

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FOTOS: DPA | GRAFIK: FERL

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