Das Ministerium als Holzgerüst
Sie entstammen höchst unterschiedlichen Ländern, genossen ganz verschiedene Ausbildungen. Aber in ihrer Kunst sind die Differenzen nicht so groß. In Goch wurde jetzt „Tavidan“mit Zeichnungen und Installationen eröffnet.
GOCH Die Beziehungen zwischen Deutschland und Georgien gelten als gut. Eingebettet an der Grenze von Europa und Asien zwischen Schwarzem Meer, Russland, der Türkei und Armenien ist die Region den meisten Deutschen allerdings eher fremd. Am ehesten verbindet der geografisch Interessierte mit Georgien vielleicht den Kaukasus, eine ursprüngliche Gebirgslandschaft, die immer mehr Touristen nicht zuletzt wegen der besonderen Artenvielfalt bereisen. Davon machten sich deutsche Künstler ein Bild, die vor einigen Monaten zu Gast waren und ab morgen im Museum Goch zusammen mit Künstlern aus dem Mittleren Osten ausstellen. „Tavidan. Georgien und Deutschland im künstlerischen Dialog“heißt die Ausstellung, die vom NRW-Ministerium für Kultur und Wissenschaft begleitet wird; das Frauenkulturbüro arbeitet seit Jahren mit dem Museum zusammen.
Die vor 200 Jahren besiegelte Freundschaft zwischen Georgien und Deutschland (damals siedelten Schwaben im Südkaukasus) führt derzeit zu mehreren Veranstaltungen. Die Ausstellung in Goch ist die Fortführung eines Künstlertreffens im Juni; damals arbeiteten 20 bildende Künstler aus beiden Ländern in Tiflis zusammen und stellten die Ergebnisse dieses Prozesses aus. Kuratorin Maria Wildeis war bei der Arbeitsphase in Georgien ebenso dabei wie jetzt in Goch. „Dort Ent- wickeltes wird nun fortgesetzt. Die Ausstellung zeigt Gegenwartskunst, die trotz der Unterschiedlichkeit der Länder, aus denen die Künstler kommen, keine großen formalen Differenzen erkennen lässt.“
Und das ist an sich schon erstaunlich, denn gelehrt wird an georgischen Kunsthochschulen noch sehr klassisches Malen und Zeichnen. Die Neigung zu modernen Medien und einfacher Formensprache ist international, scheint Grenzen leicht zu überwinden. Welches Werk von einem deutschen Künstler und welches von einem aus Georgien stammt – schwer zu sagen, wenn man’s nicht weiß.
Patrick Rieve aus Köln erfasst seine Umwelt zeichnerisch, hat für die Schau in Goch comicartige Arbeiten in Din A4-Formaten mitgebracht und eine Wandmalerei. Ihm geht es um Kommunikation und mediale Einflüsse. Kote Sulaberidze trinkt gerne Wein und hat festgestellt, dass jeder Weinrest im Glas oder auf dem Tisch seine ganz eigene Farbe hat. Wie eine Sammlung Farbtafeln mit RAL-Nummern hängen seine „Wine Shades“in 106 Teilen nebeneinan- der an der Wand. Darunter sind auch Spuren gefährlich gepanschter Getränke. Ana Chaduneli hinterfragt in ihrer multimedialen Installation den realen und den digitalen Raum. Dabei tritt ein im Fenster flatternder bemalter Stoff in einen Dialog mit der computeranimierten Darstellung desselben Objekts. Die typische Künstler-Frage: Was ist real, wo stehe ich als Individuum in dieser Welt, was wirkt auf mich ein?
Caroline Bayer hat sich vom ehemaligen Verkehrsministerium in Tiflis inspirieren lassen. Das Gebäude, das auf dem architektonischen Prinzip der „Raumstadt“beruht – wie schwebende versetzte Schachteln aus Beton auf wenig Bodenfläche erbaut – gestattet der Natur, sich unter ihm auszubreiten. Bayer hat sich für ihr Kunstwerk Pflanzen besorgt, die sie selbst dort wachsen sah, und stellt sie unter ihre filigrane hölzerne Skulptur, die die Form des ehemaligen Ministeriums aufnimmt.
„Die Ausstellung zeigt Gegenwartskunst, die keine formalen Differenzen erkennen lässt“
Maria Wildeis
Kuratorin
„Tavidan“( übersetzt: „vom Kopf aus“) wurde am Sonntag eröffnet, es gibt einen begleitenden Katalog.