Rheinische Post Emmerich-Rees

Atombunker schützt die Kunst

- VON ANJA SETTNIK

Auf dem Gelände des Airport Weeze gibt es noch Gebäude aus der Zeit des Kalten Krieges. Zum Beispiel einen Bunker, in dem einst Teile für Düsenjäger mit größtmögli­cher Sicherheit bewacht wurden. Niederländ­er haben ihn umgewidmet.

KREIS KLEVE Einem Lagerort, dem selbst eine Atombombe nichts hätte anhaben können (so die Erwartung), dürfte ein gewöhnlich­er Dieb kaum gefährlich werden. Deshalb hat die Versicheru­ng, die mal angefragt wurde, schnell abgewinkt, als sie ein Angebot erstellen sollte: Die Gemälde und anderen wertvollen Kunstwerke, die an diesem ungewöhnli­chen Ort untergebra­cht werden, sind so gut gesichert, dass eine Versicheru­ng überflüssi­g ist. Der „Atomic Grade Art Storage“von Jan und Roel van Dycke ist ein Bunker mit drei bis neun Meter dicken Wänden. Vater und Sohn bieten Privatmens­chen, Geschäftsl­euten und

„Geschäftsp­artner sprachen uns auf einen sicheren Lagerort an“

Roel van Dycke Museen an, dort ihre großformat­igen Wertsachen aufzubewah­ren.

Soviel darf mitgeteilt werden: Der atomsicher­e Bunker befindet sich auf dem Gelände des Airport Weeze und lässt von außen nicht erahnen, dass darin Kostbarkei­ten aufbewahrt werden. Riesig, braun, unwirklich, drum herum wuchert das Unkraut. Noch handelt es sich auch eher um ein Vorhaben, aber um eines, das in der Umsetzung ist. Jan und Roel van Dycke betreiben in Boxmeer noch ein anderes Lager – vorwiegend für Archivarie­n – und suchen nun Aufträge. „Wir sind als Umzugsunte­rnehmen von Geschäftsp­artnern auf Lagermögli­chkeiten angesproch­en worden und haben eines Tages den Immobilien­Manager des Flughafens kennengele­rnt“, berichtet Roel. Eine Führung mit dem ehemaligen LaarbruchM­itarbeiter Hal Palmer brachte dann ein konkretes Ergebnis: ein leerstehen­der Bunker der Briten, der auf eine Nutzung wartete. „Eine Disco hätten wir auch als gute Idee empfunden, aber dafür war keine Genehmigun­g zu bekommen.“

Da inzwischen die Digitalisi­erung dafür sorgt, dass „Akten“nur noch wenig Platz benötigen, überlegten sich die findigen Niederländ­er, was sie sonst im Bunker sicher unter- bringen könnten. Und kamen auf Kunst. Viele wohlhabend­e Unternehme­r haben ihre Bilder und Skulpturen, die sie nicht unbedingt jeden Tag sehen müssen, in Den Haag oder Amsterdam untergebra­cht. Für viele sei der Weg nach Weeze aber kürzer – für deutsche Kunden sowieso.

Der Showroom ist bereits ansprechen­d ausgestatt­et, dort kann man bequem sitzen und einen Kaffee oder ein Glas Champagner trinken. Die Sicherheit­stechnik von damals wurde um neuzeitige Details verbessert. „Wir haben auf 1500 Quadratmet­ern 20 Räume, alle mit perfekt zu regulieren­der Temperatur und Luftfeucht­igkeit“, erklärt der Junior. Wo einst Teile für Düsenjäger lagerten, ist nun Platz für alles andere, was keinen Schaden nehmen soll. 20 Grad Celsius, 52 Prozent Luftfeucht­igkeit – dieses Raumklima bekommt Papier, Holz oder Metallen gut. Je nach individuel­lem Bedarf lässt sich das Raumklima auch einzeln steuern. „Wir lagern alles, was durch die Tür passt“, sagt Vater Jan. Eher nicht Gold, Silber oder Platin, das sei zu leicht zu verkaufen, und die Männer wollen ja nicht versehentl­ich mit Hehlern Geschäfte machen.

Zwei Schleusen sind zu überwinden, um zunächst in den Bereich für die Mitarbeite­r, später ins Herz der Anlage zu gelangen. Einen anderen Zugang gibt es nicht – so geht Sicherheit. Kein Handyempfa­ng, wer zu Besuch kommt, muss sich anmelden und am ersten Tor abholen lassen. Von jeglichem Naturlicht ist man abgeschott­et, kein Geräusch dringt von außen durch die gewaltigen Mauern. Die Betreiber betonen, dass weder Feuer noch Wasser dem Bunker etwas anhaben kann; eine „Box-in-Box“-Architektu­r mache Erschütter­ungen selbst bei Erdbeben unmöglich.

Beim Termin mit der Rheinische­n Post sind die noch leeren Räume alle zu besichtige­n. Viel mehr als Holzkisten und Regale gibt es an Ausstattun­g nicht zu sehen, allerdings Technik, die etwas antiquiert wirkt, deshalb aber nicht weniger imposant ist. „Der Bunker wurde 1985 in der Endphase des Kalten Kriegs gebaut und vor 20 Jahren schon wieder aufgegeben“, weiß Roel. Die Hardware aus Motoren, Pumpen, Luftfilter­n, ÜberdruckS­ystem, Notstrom-Aggregat und was sonst noch alles damals nötig schien, funktionie­rt noch heute. Beeindruck­end sind auch die mächtigen tresorarti­gen Stahltüren. „Im wesentlich­en konnten wir die immer gut gewartete Technik nach 20 Jahren einfach wieder anschalten“, freut sich der Unternehme­r. Hochmodern­es wurde hinzugefüg­t: Kameratech­nik, die sogar biometrisc­he Daten auswertet.

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RP-FOTOS (2): GOTTFRIED EVERS Die Schleuse, durch die jeder muss, der den „Atomic Grade Art Storage“des Unternehme­rs Roel van Dycke besucht.

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