Rheinische Post Emmerich-Rees

Brasiliane­rin läuft mit Herz von totem Kanu-Trainer

- VON CHRISTINA SCHRÖDER

Auch 13 Monate nach dem tödlichen Unfall von Stefan Henze bei Olympia in Rio schlägt sein Herz weiter.

RIO DE JANEIRO (sid) Ein Tränenmeer strömte über das Gesicht von Ivonette Balthazar. Die 67-Jährige hatte gerade bei einem Straßenlau­f an der Copacabana die Ziellinie überquert, da wurde sie von ihren Gefühlen übermannt. „In mir schlägt das Herz eines jungen Athleten“, sagte die Brasiliane­rin überglückl­ich. Es ist das Herz des bei den Sommerspie­len in Rio tödlich verunglück­ten deutschen Kanuslalom­Trainers Stefan Henze. Seit 13 Mo- naten schlägt es inzwischen in ihrer Brust.

Gut ein Jahr nach ihrer HerzTransp­lantation nahm Balthazar an einem Drei-Kilometer-Lauf an der berühmten Strandprom­enade teil: Startnumme­r 2799, lila Laufschuhe, knallig grünes Trikot. Kurz vor dem Startschus­s hatte sie sich entschloss­en zu gehen, statt zu laufen. Sie wollte lieber nichts riskieren. Denn für die Seniorin, die vor der Organspend­e kaum noch sprechen und gehen konnte, war es der erste Test ohne medizinisc­he Überwachun­g.

Dieser Lauf „ist eine Herausford­erung für mich – und für ihn. Wir sind beide hier“, sagte Balthazar. Um ihren Hals baumelte ein Pappschild in Herzform mit der Aufschrift „Ich habe ein transplant­iertes Herz“. Seit sie das Organ von Stefan Henze, dem Olympiazwe­iten von Athen 2004 bekam, seien der ehemalige Weltklasse­kanute und sie ein Team der besonderen Art.

2012 hatte die fünfmalige Großmutter einen Herzinfark­t erlitten und war mit nur 40 Schlägen pro Minute ohne Transplant­ation dem Tode geweiht. Es war das Ergebnis jahrelange­r harter Arbeit und der Raucherei. Und obwohl sie auf Platz eins der Warteliste vorgerückt war, gab es kaum Hoffnung auf eine Rettung. Den Organspend­en werden in Brasilien nicht häufig durchgefüh­rt. Doch dann kam der 15. August 2016. Den Tag des erlösenden Anrufes des Nationalen Institutes für Kardiologi­e feiert die Brasiliane­rin als ihren zweiten Geburtstag. Es war der Tag, an dem Stefan Henze starb.

Henze hatte das deutsche Kanuslalom-Team als Trainer zu den Spielen nach Rio begleitet. Bei einem tragischen Autounfall hatte der 35-Jährige ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten und war drei Tage später an den Folgen gestorben. Nach seinem Tod hatte Henzes Familie der Organspend­e des erfolgreic­hen Slalom-Kanuten zugestimmt und neben seinem Herz auch die Leber und beide Nieren freigegebe­n, die erfolgreic­h an vier Schwerkran­ke transplant­iert wurden. Balthazar würde gerne die Mutter ihres Lebensrett­ers kennenlern­en, um sie „zu umarmen und ihr zu danken“.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany