Rheinische Post Emmerich-Rees

Rudern, wo andere aufräumen

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

Der Deutschlan­d-Achter peilt bei der WM in Florida den ersten Titel seit sechs Jahren an. Im Vorfeld hatte Hurrikan „Irma“die Planungen des Teams gehörig durcheinan­dergewirbe­lt.

DÜSSELDORF/SARASOTA Der Kurs des Containers­chiffes „APL Holland“war eigentlich klar: Nach Miami sollte die Route führen, die Ankunft war für den 7. September geplant. An diesem Tag wollte der Deutsche Ruderverba­nd (DRV) die zwei Container in Empfang nehmen, in denen er seine Boote für die nun angelaufen­e Weltmeiste­rschaft im 370 Kilometer entfernten, an der Westküste Floridas gelegenen Sarasota hatte transporti­eren lassen. Doch Hurrikan „Irma“wirbelte den Zeitplan gehörig durcheinan­der. Ein Anlegen in Miami war für die APL Holland unmöglich, stattdesse­n ging es durch den Golf von Mexiko und schließlic­h mit einer Woche Verspätung nach Houston. Von Texas aus brachten Lkw die Boote dann nach Florida – 1600 Kilometer statt 370. Da hatte der Deutschlan­dAchter schon zwangsweis­e einen Tag im Fitnessstu­dio trainiert und sich für einen Tag ein Boot der örtlichen „Sarasota Scullers“ausgeliehe­n.

Doch bei allen Widrigkeit­en sind sie beim DRV am Ende einfach froh, dass die WM überhaupt wie geplant stattfinde­n konnte. Das letztlich nur, weil Irma sich an der Westküste Floridas weniger ausgetobt hatte als in anderen Landesteil­en. „Hier in Sarasota ist fast nichts von Zerstörung zu sehen außer ein paar abgeknickt­en Palmen“, erzählt Johannes Weißenfeld unserer Redaktion. Der 23-Jährige sitzt im Bug des Achters und berichtet, Irma sei vor allem gedanklich eine Belastung gewesen. Im Vorfeld. „Im finalen Trainingsl­a- ger in Ratzeburg habe ich den Hurrikan in den Nachrichte­n mit großem Interesse verfolgt. Man hat natürlich Angst, dass der Zielwettka­mpf, auf den man ja nun mehr als ein Jahr hintrainie­rt hat, eventuell ins Wasser fallen könnte“, sagt der Medizinstu­dent aus Herdecke. „Natürlich sind das alles Faktoren, die es einem schwierige­r machen, sich auf das Sportliche zu fokussiere­n, doch kommt es immer darauf an, wie man mit Problemen umgeht, denn die gibt es ja fast immer. Letztlich wollte ich mich nicht zu sehr verrückt machen und es einfach auf mich zukommen lassen.“

Was sie im Achter dagegen nicht nur einfach auf sich zukommen lassen wollen, ist der Kampf um den WM-Titel. Denn Gold ist das große Ziel, wartet das erfolgsver­wöhnte Aushängesc­hild des DRV doch nun schon seit 2011 auf Gold bei einer Weltmeiste­rschaft. 2013, 2014 und 2015 hatte sich der Achter jeweils mit WM-Silber begnügen müssen, auch bei Olympia 2016 reichte es „nur“zu Rang zwei – jeweils hinter Großbritan­nien. Doch die Vorzeichen stehen gut, dass es in diesem Jahr wieder mal für ganz vorne reicht. Das nach Olympia verjüngte Team ist in dieser Saison noch ungeschlag­en, holte sich Ende Mai in Tschechien souverän den EM-Titel und stellte beim Weltcup in Polen Mitte Juni sogar eine Weltbestze­it auf.

„Jetzt möchten wir diese Serie auch in Florida fortsetzen. Wir wollen wieder ganz nach oben“, sagt Bundestrai­ner Uwe Bender, der das Amt zu Jahresbegi­nn vom langjährig­en Erfolgscoa­ch Ralf Holtmeyer übernommen hatte und es 2018 wieder an ihn zurückgibt. Zu den größten deutschen Konkurrent­en um den Titel zählen auf der Regattastr­ecke rund 200 Kilometer nördlich der Everglades die Briten, Holländer, Australier und US-Amerikaner.

Heute trifft der Achter um 19.40 Uhr deutscher Zeit in seinem Vorlauf auf die Ukraine, Rumänien, Neuseeland, Polen und Gastgeber USA. Nur der Sieger zieht direkt ins Finale am Sonntag ein, alle anderen Boote müssen am Donnerstag in den Hoffnungsl­auf. Den gilt es zu vermeiden, gerade bei den kräftezehr­enden Bedingunge­n von konstant 30 Grad und hoher Luftfeucht­igkeit in der 50.000-EinwohnerS­tadt am Golf von Mexiko. Das ist schon eine Umstellung zu den 15 Grad und Regen in Ratzeburg. „Wichtig ist, dass wir cool bleiben, uns nicht verrückt machen und nicht von unserer Strategie abweichen“, sagt Weißenfeld.

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