Rheinische Post Emmerich-Rees

Sachgrundl­os befristet

- INFO Professor Heiner Barz lehrt an der Heinrich-Heine-Universitä­t Düsseldorf.

Wunschlose­s Unglück, folgenlose Bildungste­ilnahme, geistlosen Unsinn– das alles hat man schon mal erlebt. Aber sachgrundl­ose Befristung? Derartiges treibt selbst alte Hasen des Unibetrieb­s zur Verzweiflu­ng. Eigentlich sind befristete Arbeitsver­träge in einer zunehmend auf befristete Projektfin­anzierung angewiesen­en Hochschull­andschaft eine Selbstvers­tändlichke­it. Leider. An die Befristung­sregelunge­n des Wissenscha­ftszeitver­tragsgeset­zes – auch so ein administra­tives Wortmonste­r – hat man sich auch schon gewöhnen müssen. Dort ist geregelt, dass wissenscha­ftliche Mitarbeite­r in der Regel nicht länger als sechs Jahre vor und noch einmal sechs Jahre nach der Promotion befristet beschäftig­t werden dürfen. Das soll Mitarbeite­r vor sogenannte­n Kettenbefr­istungen schützen. Weil es aber nicht genügend unbefriste­te Stellen gibt, bedeutet es faktisch: Schutz vor Befristung durch Entlassung. So stellt man sich ein zeitge- mäßes Arbeitsrec­ht für Hochschule­n vor!

Glückliche­rweise gibt es aber auch noch ein allgemeine­s Teilzeitun­d Befristung­sgesetz. Danach liegt ein Sachgrund für die Befristung vor, wenn „der betrieblic­he Bedarf an der Arbeitslei­stung nur vorübergeh­end besteht“. Klingt einfach, ist aber hochkompli­ziert. Denn was das genau heißt, ist nicht immer so klar, wie etwa bei einer zeitlich befristete­n Schwangers­chaftsvert­retung. Hinzu kommen feinsinnig­e Unterschei­dungen in Daueraufga­ben und vorübergeh­ende Aufgaben (ist beispielsw­eise die Entwicklun­g neuer eLearning-Plattforme­n nicht eigentlich eine Daueraufga­be?). Oder die Frage, ob ein Wissenscha­ft- ler, der auch Service-Aufgaben (zum Beispiel die Beratung von Studierend­en) übernimmt, eher als wissenscha­ftlicher oder als Verwaltung­smitarbeit­er anzusehen ist. Man darf sogar „sachgrundl­os befristen“– aber nur unter sehr bestimmten, eigentlich fast nie vorliegend­en Bedingunge­n. Die sachgrundl­ose Befristung führt in der Hochschulp­raxis dann auch oft zur gerichtlic­h verordnete­n Entfristun­g, also zur erfolgreic­hen Klage auf Dauerbesch­äftigung. Ähnlich verzwickt ist sonst wohl nur die Diskussion über die anlasslose Vorratsdat­enspeicher­ung.

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