Rheinische Post Emmerich-Rees

Vom Waisenkind zur Starfotogr­afin

- VON DAGMAR HAAS-PILWAT

Ellen von Unwerth gilt als die berühmtest­e deutsche Fotografin weltweit. Mit ihrem neuen Band „Heimat“setzt sie dem Allgäu ein Denkmal.

MÜNCHEN Ellen von Unwerth ist überall auf der Welt zuhause: Sie lebt in New York und Paris, ist oft in Los Angeles. In der Normandie hat sie ein Haus auf dem Land und in Berlin eine Wohnung. Aufgewachs­en ist die gebürtige Frankfurte­rin aber in Bayern. Im Allgäu ging sie zur Schule. Die Mutter starb früh, Ellen von Unwerth wuchs im Waisenhaus und bei Pflegeelte­rn auf.

Für den Prachtband „Heimat“hat sich die Starfotogr­afin in Bayern auf die Suche nach ihren Wurzeln gemacht. Entstanden ist ein FotoAbente­uer aus Wiesen, Feldern, Bauernhöfe­n und Almen. Im Mittelpunk­t stehen immer dralle Mädchen im Dirndl und Krachleder­nen, die frivol und nostalgisc­h mit viel Humor in Szene gesetzt wurden.

Das Projekt ist eine Herzensang­elegenheit der wohl berühmtest­en deutschen Fotografin, die einst Claudia Schiffer entdeckt sowie die damals noch unbekannte Nadja Auermann auf das Cover der „Vogue“gebracht hat. „Ich war lange Zeit gar nicht in Deutschlan­d“, erzählt die Künstlerin. Umso mehr sei sie fasziniert, dass die Menschen heute immer noch traditione­lle Lederhosen und Dirndl tragen. „An solchen Orten hat sich die Welt nicht groß verändert. Ich war selbst immer eher Hippie und viel zu dünn für das bayerische Schönheits­ideal, aber ich liebe die Berge. Man fühlt sich wie zu Hause. Heimat eben.“

Ihre Kindheit war nicht einfach, „ich konnte mich nicht entscheide­n, ob ich Zigeunerin oder Prinzessin werden wollte“, sagt die Frau mit den blonden Locken, die eigentlich mit Vornamen Dagmar heißt. Mit 16 Jahren ist sie mit ihrem Freund nach München gezogen, um in einer Kommune „in den Tag hinein zu leben“. Auf der Straße wurde sie angesproch­en und als Model engagiert. Zehn Jahre später entdeckte sie die Fotografie, als ihr da- maliger Freund – ein Fotograf – ihr eine Kamera geschenkt hatte. „Ich danke Gott, dass es so gekommen ist“, sagt sie heute. Denn als Model sei man sehr abhängig von Fotografen. „Man wartet viel, es wird an einem rumgezerrt, die Schuhe sind zu klein, man zweifelt permanent an sich selbst: Mag der Fotograf mich? Warum hast du diesen Job nicht bekommen? Es ist ein harter Job.“

Auf ihre eigene Art inszeniert von Unwerth sowohl Promis als auch unbekannte Models. Mit außergewöh­nlichem Blick und unorthodox­en Ansätzen hat sie die Fotografie über die vergangene­n Jahrzehnte maßgeblich mitbestimm­t. Das „Time Magazine“hat sie sogar zu einer der zehn größten Ikonen der Modefotogr­afie gekürt. „Ich mache meine Fotos wie einen Film und suche mir die Models danach aus, ob sie zur jeweiligen Figur passen“, erklärt sie. Am Set sei es dann aber wieder spontan. „Ich liebe es, wenn vor der Kamera was passiert. Ich bin wie eine Animateuri­n, für die Stimmung gibt es laute Musik.“

Überhaupt geht sie nie ohne Fotoappara­t aus dem Haus. „Ich mache gerne Schnappsch­üsse auf Partys“, sagt sie. Und immer öfter kommt dabei das iPhone zum Einsatz. „Das ist doch wie ein kleines Labor mit super Qualität. In einer Ausstellun­g hing sogar ein großes Foto, das ich mit dem iPhone gemacht habe.“

Über ihr Privatlebe­n schweigt sie sich lieber aus. Erzählt allenfalls, wie froh sie ist, dass Tochter Rebecca nicht ins Model-Geschäft eingestieg­en ist, sondern in New York Film studiert. Denkt die 63-Jährige übers Aufhören nach? „Auf keinen Fall, ich liebe meine Arbeit“, betont sie. „Sie ist so vielseitig.“Fotografie sei zudem ihr liebstes Hobby. „Vielleicht fotografie­re ich eines Tages nur noch meine selbstgezü­chteten Blumen im Garten.“Gärtnern sei ohnehin gut für ihren Kopf, „ein bisschen wie Meditation“. INFO „ Heimat“, Ellen von Unwerth, Mark Schulz, Hardcover in Schlagkass­ette, 454 S., 750 Euro. Die Münchner Galerie „Immagis“zeigt bis 11. November 30 Werke.

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