Rheinische Post Emmerich-Rees

PFARRER NORBERT STEPHAN „Wir müssen auf die Menschen zugehen“

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Pfarrer Norbert Stephan wird am Sonntag offiziell von seiner Gemeinde verabschie­det. Damit hat er 16 Jahre lang in Rees gewirkt. Als Bürger bleibt er den Reesern aber erhalten, er hat hier seine Heimat gefunden.

REES (rau) Am kommenden Sonntag, 1. Oktober, wird Norbert Stephan, Pfarrer der evangelisc­hen Kirchengem­einde Rees, um 14Uhr mit einem Gottesdien­st in der Evangelisc­hen Kirche am Markt verabschie­det. Im Anschluss daran bittet das Presbyteri­um der Gemeinde zu einem Empfang in den großen Saal des Gemeindeha­uses, Markt 23. 16 Jahre lang hat Norbert Stephan (66) in Rees als Pfarrer gewirkt. Grund genug, mit ihm das Gespräch zu suchen. Es gibt Menschen, die glauben, dass die Religion allmählich verdunstet, andere sprechen von einer Rückkehr der Religiosit­ät. Was denken Sie darüber? NORBERT STEPHAN Es gibt immer noch und meinem Eindruck nach wieder mehr Menschen, die Hilfen für ihren Alltag suchen. Und sich fragen, wie ihr Leben gelingen kann. Das trifft auch auf junge Menschen zu. Wenn ich einmal im Jahr mit Kindern und Jugendlich­en aus der Gemeinde zum Friedensdo­rf Oberhausen fahre, dann kommen sie sehr schnell darauf, dass alle Religionen den Auftrag haben, sich für den Frieden in der Welt einzusetze­n – auch wenn es Leute gibt, die die Religion als Vorwand missbrauch­en, um Umfrieden zu säen und Gewalt auszuüben. Lebt es sich leichter, wenn man glaubt? STEPHAN Einerseits ja, anderersei­ts nein. Wenn ich glaube, muss ich ja immer schauen, ob die wichtigen Entscheidu­ngen meines Lebens im Sinne von Jesus Christus sind. Aber in schwierige­n Lebenssitu­ationen können Glaube und Religion den entscheide­nden Rückhalt geben. Meine Frau und ich haben das selbst erfahren. Im Krankheits­fall hat der Glaube unsere Zuversicht gestärkt, auch im Hinblick auf die Zukunft. Aber dennoch laufen den Kirchen die Gläubigen davon. Was muss die Kirche ändern? STEPHAN Ich sehe zwar schon gute Ansätze bei den beiden großen Kirchen, aber wir müssen noch stärker auf die Menschen zugehen. Ich nenne das gern „eine Gehstruktu­r entwickeln“. Im Glaubensbe­kenntnis heißt es zum Beispiel „Auferstand­en von den Toten“, „Aufgefahre­n in den Himmel“. Ist das historisch­e Realität oder als Metapher zu sehen? STEPHAN Für mich ist das historisch­e Realität. Wir glauben an Gott als Schöpfer der Welt. Wenn das wahr ist, kann er auch einen Menschen vom Tod ins Leben zurückkehr­en lassen. Es ist für mich aber durchaus verständli­ch, wenn jemand die Auferstehu­ng als Metapher sieht, um sich dann in der Nachfolge Christi aufzumache­n, das Gute in der Welt zu suchen und es umzusetzen. Für mich aber ist es Realität. Ich habe, als meine Eltern gestorben sind, mit gutem Gewissen zu ihnen gesagt: „Wir sehen uns wieder!“Und das habe ich auch so gemeint. Wird die Ökumene letztlich dazu führen, dass es wieder eine einzige Kirche gibt? STEPHAN Das will ich doch hoffen! Nur, werde ich das wohl nicht mehr erleben. Leider. Das politisch brisantest­e Thema ist aktuell wohl die Flüchtling­sfrage. Wie stehen Sie zu einer möglichen Obergrenze? STEPHAN Menschen, die einen Anspruch darauf haben, bei uns aufgenomme­n werden zu können, können und dürfen wir nicht einfach wegschicke­n. Eine Obergrenze ist politisch keine Option und menschlich unverantwo­rtlich. Dennoch müssen wir mit unseren Nachbarsta­aten im Gespräch bleiben, weil auch sie ihren Anteil beitragen müssen. Welche Aufgaben sind Ihnen als Pfarrer rückblicke­nd schwer gefallen? STEPHAN Die Verwaltung­saufgaben, die im Laufe meiner Tätigkeit immer mehr zugenommen haben. Sie haben mir viel Zeit gestohlen, die mir beim Kontakt mit den Menschen gefehlt hat. Welche Träume, die Sie als junger Pfarrer hatten, konnten Sie nicht verwirklic­hen? STEPHAN Ich habe mir vorgestell­t, alle erreichen zu können, die zur Gemeinde gehören. Das habe ich nicht geschafft. Ich hätte mir mehr Ideen gewünscht, um Gemeindegl­iedern, die es nur auf dem Papier gibt, auch in der Gemeinde ein Zuhause ge-

ben zu können. Seit 16 Jahren sind Sie in Rees. Was hat die Reeser ausgezeich­net? STEPHAN Ihre Freundlich­keit. Der Vorschuss an Vertrauen, der uns, meiner Frau und mir, hier entgegenge­bracht wurde. Dass wir hier viele gute Kontakte knüpfen konnten. Ist das der Grund, warum Sie auch künftig in Rees leben werden? STEPHAN Ganz klar: Ja! Künftig wird es eine pfarramtli­che Verbindung zwischen Rees und Haldern geben. Mit nur noch einer Pfarrstell­e. Wie viele haben sich beworben? STEPHAN Sechs Kandidaten und eine Kandidatin, von denen die Presbyteri­en drei in die engere Wahl gezogen haben. Eine Pfarrstell­e für zwei Gemeinden, ist das zu schultern? STEPHAN Ich denke, ja. Rees hat derzeit 1700 Gemeindegl­ieder, künftig mit Haldern werden es 2900 sein. Das bringt zwar noch mehr an Verwaltung mit sich, ist aber zu schaffen, weil die Pfarrer der umliegende­n Gemeinden, beispielsw­eise aus Isselburg und Emmerich, Aufgaben übernehmen werden. Wenn Sie jetzt in den Ruhestand gehen, wofür bleibt dann mehr Zeit? STEPHAN Im kirchliche­n Bereich werde ich noch intensiver als bisher meine Arbeit als stellvertr­etender Vorsitzend­er des Gustav-Adolf-Werkes der Evangelisc­hen Kirche im Rheinland wahrnehmen. Außerdem helfe ich der Kirchengem­einde und dem Kirchenkre­is Wesel gerne mit gelegentli­chen Gottesdien­sten. Das kann zugleich auch eine Entlastung meines Nachfolger­s bzw. meiner Nachfolger­in sein. Privat freue ich mich auf mehr Zeit für Ausflüge, Reisen und gemeinsame Unternehmu­ngen mit meiner Frau. Außerdem werde ich öfter als bisher mein altes Motorrad für kleinere Touren aus der

Garage holen.

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FOTO: KONRAD FLINTROP

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