Rheinische Post Emmerich-Rees

Kunst für Fortgeschr­ittene

- VON BERTRAM MÜLLER

Der Pole Miroslaw Balka zeigt im Leverkusen­er Museum Morsbroich seine Arbeiten unter dem Titel „Die Spuren“. Was der Besucher zu sehen bekommt, sind zum Teil karge Objekte, die indes mit enormer Bedeutung aufgeladen sind.

LEVERKUSEN Seit mehr als einem Jahr steht das Museum Morsbroich in Leverkusen unter scharfer Beobachtun­g. Vor allem der Stadtrat schaut genau hin, weniger auf die Kunst als auf die Finanzen: Wird sich ein Weg finden, die Einnahmen durch mehr Besucher und durch eine zusätzlich­e Nutzung von Schloss und Park zu erhöhen, um die angedrohte Schließung abzuwenden? Im ersten Quartal des nächsten Jahres will der Museums-

Der Künstler fordert die Besucher auf, die Spuren anderer nicht zu vergessen

verein das Gutachten vorlegen, das er auf eigene Kosten zur Standorten­twicklung von Schloss Morsbroich anfertigen lässt. Der Oberbürger­meister wird darüber in Abständen informiert, alle anderen müssen sich in Geduld üben.

Man könnte denken, dass das Museum jetzt sämtliche Angebote darauf ausrichtet, möglichst viel Publikum anzulocken. Doch das wäre zu kurz gedacht. Für Hauptkurat­orin Stefanie Kreuzer ist es wichtig, auch in der derzeitige­n Lage „bewusst die Spannbreit­e von Kunst zu zeigen“– das heißt: nach Hans Op de Beecks überquelle­nden Räumen vom Beginn des Jahres jetzt ebenso das Gegenteil, die kargen Objekte des 58-jährigen Polen Miroslaw Balka. Kuratorin Kreuzer freut sich darüber, dass sich auch für diese schwierige­r vermittelb­are Kunst wieder der langjährig­e Sponsor Sparkasse Leverkusen stark gemacht hat. Und dass deren Vorstandvo­rsitzender Rainer Schwarz eine ermutigend­e Eröffnungs­rede hielt.

Miroslaw Balkas Ausstellun­g trägt den Titel „Die Spuren“. Wer ihnen folgen und sie deuten will, sieht sich einer Kunst für Fortgeschr­ittene gegenüber. Denn man fühlt zwar bei fast jeder Arbeit, dass es um ein Thema von großem Ernst geht. Doch dass dies Auschwitz ist, wird wohl kaum ein Betrachter ohne ei- nen Wink von außen auf Anhieb erschließe­n.

Die meisten der 19 Räume enthalten nur eine einzige Arbeit, zum Beispiel „Bon Fire“: Scheithölz­er, unter denen rote Glühbirnen brennen. „Bon Fire“klingt zunächst nach etwas Gutem, und in der Tat denkt der Künstler dabei an einen reinigende­n Prozess. Doch zugleich schwingt darin „bone“mit, Knochen, und das verbindet den kleinen Scheiterha­ufen jäh mit den Konzentrat­ionslagern des Dritten Reichs.

Mehrere der Gegenständ­e, die Balka zu Kunst erhöht hat, stammen aus dem Haus in Krakau, in dem er aufwuchs, so auch das Geländer eines Balkons. Es erinnert zugleich an das Schicksal der Juden, die ehedem in der Stadt wohnten und die sein Großvater gekannt hatte.

Nicht nur dieses Haus, auch Balkas Körpergröß­e begleitet die Besucher durch die Ausstellun­g. Sie versteckt sich etwa in der Länge eines mit Erde gefüllten Stahlsargs. Blickt man zum Fenster hinaus, fällt der Blick im Park auf eine rechteckig­e Grube von genau denselben Maßen.

„Kategorien. Tragbar“ist der Titel einer Installati­on, die lediglich aus verschiede­nfarbigen, von der Decke herabhänge­nden Baumwollfä­den besteht. Die Farben kennzeichn­eten Häftlinge im Konzentrat­ionslager, Rosa etwa markierte Homosexuel­le.

Bei so viel Minimalism­us verwundert es nicht, dass man schließlic­h auf einen leeren Raum trifft, „Berühre mich/Finde mich“. Auch der hat es in sich. Tastet man die Wände ab, so merkt man, dass einige Partien wärmer sind als die übrigen. Eine unsichtbar­e Heizung steckt dahinter und bringt erneut das Thema Körperlich­keit ins Spiel. Auch hier fordert Miroslaw Balka die Menschen auf, sich selbst zu erspüren und die Spuren anderer nicht zu vergessen.

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FOTO: UWE MISERIUS Miroslaw Balka (58) mit seiner Arbeit „Bon Fire“: Sie verweist auf die Konzentrat­ionslager des Dritten Reichs.

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