München braucht einen Fußballlehrer
neue Trainer bei den Bayern muss der Mannschaft eine Spielidee und einen ganz neuen Zusammenhalt verpassen. Das Spiel in Berlin bewies, dass es mit der Entlassung von Carlo Ancelotti nicht getan ist.
MÜNCHEN/DÜSSELDORF Für die Wundergläubigen war die Geschichte klar. Bayern München musste nur Trainer Carlo Ancelotti vor die Tür setzen. Schon würden die Selbstheilungskräfte im Team greifen, und fortan würde die Sammlung Hochbegabter ihre Konkurrenz in Grund und Boden spielen. Der erste Auftritt nach dem Abschied des Italieners machte sehr deutlich, dass in München keine Wunder zu erwarten sind. Der deutsche Meister ließ sich auch von der biederen Berliner Mannschaft einen 2:0-Vorsprung abjagen und musste sich mit einem 2:2 begnügen. Erstaunlicher als das Ergebnis war dabei die Tatsache, dass es der Bayern-Mannschaft an grundsätzlichen Fähigkeiten fehlt. Das Spiel ist von Zufällen bestimmt und von der individuellen Klasse der Spieler. Die Ordnung auf dem Feld stimmt nicht, die Abstände zwischen den Mannschaftsteilen sind zu groß. Und es mangelt offensichtlich an Fitness. Im Nachhinein ein Armutszeugnis für Ancelotti und für die Firmenleitung gleichermaßen, die viel Sachverstand für sich in Anspruch nimmt und sich trotzdem viel zu spät zu Wort meldete.
In Berlin saßen Präsident Uli Hoeneß und Klubchef Karl-Heinz Rummenigge mit eingefrorenen Mienen auf der Tribüne. Immerhin saßen sie nebeneinander, das könnte so etwas wie Einigkeit der beiden Führungsfiguren demonstrieren, von der freilich keine Rede sein kann. In wegweisenden Personalentscheidungen kamen der Bauchmensch Hoeneß und der Geschäftsmann Rummenigge allenfalls zu billigen Kompromissen. In Person des Sportdirektors Hasan Salihamidzic bündeln sich die Schwierigkeiten des Führungsduos, das keine annähernd gleich großen Figuren neben sich duldet. Damit Salihamidzic über den Anschein des Gute-LauneGeists in der Kabine hinaus kommt, schickten ihn die Ober-Bayern zuletzt gern mal vor die TV-Kameras. Profil gewinnt er dabei nicht.
Die wichtigste Personalentscheidung steht aber erst noch bevor. Der neue Trainer muss ein echter Trainer sein. Einer, der sich mit den vielen bedeutenden Kleinigkeiten des Fußballs befasst, der auch arrivierten Spielern eine Idee vermittelt, der Ordnung herstellt. Der ideale Mann wäre eine Mischung aus Jupp Heynckes und Pep Guardiola. Beide stehen nicht zur Verfügung. Guardiola bringt gerade das Milliardenteam von Manchester City auf Trab, Heynckes ist vor vier Jahren hochzufrieden mit einer großen Laufbahn in den Ruhestand gegangen.
Alles läuft auf eine Verpflichtung von Thomas Tuchel hinaus. Noch aber scheinen die Bayern zu zögern. „Wir sind mit Kandidaten im Gespräch“, sagte Salihamidzic, „aber wir nennen keine Namen.“In Dortmund bei Manager Michael Zorc und daheim bei ihrem Verteidiger Mats Hummels sollen sich die Münchner nach Tuchel erkundigt haben. Sie werden erfahren haben, was offensichtlich ist. Tuchel ist schwierig im Umgang, er kann eiskalt sein und in seinem Jähzorn unberechenbar. Er ist aber auch ein herausragender Fachmann.
Die Bayern müssen nun für sich die Frage beantworten, ob sie einen anstrengenden Trainer haben wollen, der in Dortmund überraschend schnell erfolgreich war. Eine Alternative bietet der Markt nicht. Es ist nicht zu erwarten, dass die Münchner Jürgen Klopp aus seinem Vertragsverhältnis beim FC Liverpool herauskaufen (können). Und es ist unwahrscheinlich, dass sie so eine Aktion beim Hoffenheimer TrainerTalent Julian Nagelsmann planen.
Sicher ist nur eins: Diesmal muss der Schuss sitzen.