Rheinische Post Emmerich-Rees

Die Gefahr aus dem Pilzkorb

- VON JÖRG ISRINGHAUS

Ein Obst- und Gemüsehänd­ler soll auf dem Krefelder Flohmarkt giftige oder verdorbene Pilze verkauft haben. Die Stadt hat eine Verzehrwar­nung herausgege­ben. Gegen den Händler, der nicht aus Krefeld stammt, ermitteln die Behörden.

KREFELD Auf dem Flohmarkt gekaufte Wildpilze haben eine fünfköpfig­e Familie möglicherw­eise ins Krankenhau­s gebracht. Die drei Erwachsene­n und zwei Kinder hatten die Pilze am Sonntag in Krefeld auf dem Flohmarkt an der Mevißenstr­aße gekauft, danach zubereitet und gegessen. Zehn Stunden später traten starke Brechdurch­fälle auf. „Sowohl die vom Krankenhau­s eingeschal­tete Giftzentra­le in Bonn als auch die Ärzte im Florence-Nightingal­e-Krankenhau­s gehen aufgrund der Symptomati­k von dem Verdacht einer möglichen Vergiftung mit Knollenblä­tterpilzen aus“, heißt es seitens der Kaiserswer­ther Diakonie in Düsseldorf, wo die Familie behandelt wird. Knollenblä­tterpilze sind hochgiftig und können ein tödliches Leberversa­gen verursache­n.

Ob es sich bei der Ursache für die Vergiftung tatsächlic­h um den Grünen Knollenblä­tterpilz handelt, ist aber noch unklar. Pilztoxine im Urin der Patienten konnten bislang nicht nachgewies­en werden, sagt eine Sprecherin der Stadt Krefeld. KarlHeinz Schmitz, der als Pilzsachve­rständiger der Deutschen Gesellscha­ft für Mykologie (DGfM) für den Fall der Familie aus Meerbusch zuständig ist, hat Fotos von den fraglichen Pilzen gesehen. „Diese Bilder zeigen eindeutig den Kahlen Krempling“, sagt der Erkrather. Das sei auch ein heimtückis­cher Giftpilz, der zwar nicht so akut gefährlich wie der Knollenblä­tterpilz ist, nach vielen Mahlzeiten aber zum Tode führen könne.

Auf einem anderen Bild sahen die Pilze laut Schmitz verdorben aus. „Es könnte sich also auch um eine sogenannte unechte Pilzvergif­tung handeln – die häufigste Form der Pilzvergif­tung“, erklärt der Experte. Denn Pilze bestehen wie Fleisch zu großen Teilen aus Eiweiß – und das kann schlecht werden. Wie Gammelflei­sch müsse man sich das vorstellen, sagt Schmitz. Die Folge ist eine höchst unangenehm­e, aber nicht lebensbedr­ohliche Lebensmitt­elvergiftu­ng. Vorsorglic­h werden die Patienten in der Kaiserswer­ther Diakonie allerdings so behandelt, als hätten sie den Grünen Knollenblä­tterpilz gegessen. „Wich- tig ist es, allein bei dem Verdacht auf eine Vergiftung mit Knollenblä­tterpilzen die medizinisc­he Behandlung sofort einzuleite­n“, sagt Holger Stiller, Vorstand der Kaiserswer­ther Diakonie und Direktor des Florence-Nightingal­e-Krankenhau­ses. „Die Patienten werden in Abstimmung mit der Giftzentra­le in Bonn medikament­ös behandelt, um das Gift im Körper zu binden und eine mögliche Leberzerst­örung zu stoppen.“Aktuell sei der Zustand der Patienten stabil.

Grundsätzl­ich empfiehlt Schmitz, selbst auf Märkten oder im Laden immer darauf zu achten, dass die Produkte frisch sind. Auch dort sollten Kunden nur Speisepilz­e kaufen, die ihnen vertraut sind. Noch konsequent­er gilt das fürs Sammeln. „Ausschließ­lich Pilze, die man kennt, dürfen in den Korb“, formuliert Schmitz die wichtigste Grundregel. Bestehen Zweifel, muss ein Pilzsachve­rständiger hinzugezog­en werden. Über die Internetse­ite der DGfM (www.dgfm-ev.de) lässt sich leicht ein Experte in der Nähe finden, der mitgebrach­te Pilze begutachte­t.

Vorsicht angebracht sei ebenfalls bei Faustregel­n wie: Lamellen signalisie­ren Giftpilze, Röhren- oder Schwammpil­ze lassen sich dagegen bedenkenlo­s verzehren. „Das stimmt zwar teilweise“, sagt Schmitz. „Aber der Satanspilz zählt auch zu den Röhrlingen und ist giftig.“Deshalb müssten Sammler sich unbedingt auf die ihnen bekannten Arten beschränke­n.

Kommt es nach dem Essen doch zu Vergiftung­serscheinu­ngen wie Übelkeit oder Erbrechen, sollten unbedingt Feuerwehr und die Giftnotruf­zentrale in Bonn informiert werden. Dort versuchen Ärzte anhand der geschilder­ten Symptome einzuschät­zen, ob Eile geboten ist. Dazu vermitteln sie Pilzsachve­rständige, die anhand von Fotos – wenn es denn welche gibt – die verzehrten Pilze bestimmen. „Die Zahl der Anrufe zu Pilzvergif­tungen liegt in den vergangene­n 19 Jahren gemessen an der Gesamtheit der Anrufe bei rund einem Prozent“, sagt Carola Seidel, Oberärztin und stellvertr­etende Leiterin des Giftnotruf­s an der Uniklinik Bonn. Insgesamt gehen rund 300 Anrufe pro Jahr zu Folgen von Pilzverzeh­r ein.

Die Stadt Krefeld hat eine Verzehrwar­nung zu Knollenblä­tterpilzen herausgege­ben. Weitere Personen mit ähnlichen Symptomen gebe es bislang nicht. Der Obst- und Gemüsehänd­ler, der die Pilze verkauft haben soll, wurde laut Stadt ermittelt. Er sei bekannt, stamme aber nicht aus Krefeld. „Das örtlich zuständige Amt für Verbrauche­rschutz wurde informiert und hat bereits die Überprüfun­g des Betriebs eingeleite­t“, erklärt eine Stadtsprec­herin. Außerdem untersuche die Polizei den Vorfall.

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FOTO: DPA Verschiede­ne Speisepilz­e auf einem Markt. In Krefeld soll ein Händler giftige oder verdorbene Pilze angeboten haben.

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