Rheinische Post Emmerich-Rees

Arznei-Ausgaben steigen kräftig

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Kassen rügen, dass neue Medikament­e zu schnell zugelassen werden.

BERLIN (dpa) Beitragsza­hler müssen für Arzneimitt­el tiefer in die Tasche greifen. Schuld sind laut AOK Gesetzeslü­cken. Patienten könnten zudem gefährdet sein, denn immer mehr Mittel kämen per Schnellzul­assung auf den Markt und würden nicht ausreichen­d getestet. Wegen der Verordnung von immer mehr und immer teureren Medikament­en stiegen die Kosten der gesetzlich­en Krankenkas­sen im Arzneibere­ich 2016 um 3,9 Prozent auf 38,5 Milliarden Euro, wie aus dem gestern veröffentl­ichten Arzneivero­rdnungsrep­ort der AOK hervorgeht.

Herausgebe­r Ulrich Schwabe sagte, patentgesc­hützte Arzneimitt­el kosteten mehr, als sie wert seien. Der Politik warf er vor, dass geplante Regeln zur Eindämmung des Kos- tenanstieg­s fallengela­ssen worden seien. So war vorgesehen gewesen, dass ältere patentgesc­hützte Arzneimitt­el wie neue auf ihren Zusatznutz­en und angemessen­e Preise überprüft werden. Auch eine geplante Umsatzschw­elle für neue Mittel sei nicht umgesetzt worden. 2016 erzielte das teuerste Prozent aller Arzneimitt­el laut dem Report rund 3980 Euro – zehn Jahre zuvor waren es nur 950 Euro gewesen.

Vor allem mit Gentechnik hergestell­te Biologika würden die Ausgaben in die Höhe treiben. Konsequent­er sollten so genannte Biosimilar­s verordnet werden – also günstigere Nachfolge-Präparate – forderte der Chef der Arzneimitt­elkommissi­on der deutschen Ärzteschaf­t, Wolf-Dieter Ludwig. Dass Ärzte dies noch zu wenig täten, führte Ludwig auch auf „Desinforma­tion auf Fachkongre­ssen und interessen­geleitete Fachzeitsc­hriften“zurück. In Wahrheit seien Biosimilar­s nicht schlechter oder riskanter.

Schwabe machte an einem Beispiel deutlich, worin er die Missstände sieht: Das Multiple-Sklerose-Mittel Tecfidera sei in Deutschlan­d mit einem um 80 Prozent höheren Preis auf den Markt gekommen als etwa in den Niederland­en. Dann kam die Bewertung des Nutzens anhand gesetzlich­er Vorgaben. Ergebnis: Das Mittel habe keinen Zusatznutz­en gegenüber vergleichb­aren Arzneien. Der Hersteller akzeptiert­e eine Senkung um fast 50 Prozent – aber erst nach einem Jahr. Kosten: 104 Millionen Euro.

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