Rheinische Post Emmerich-Rees

Wolffs neues Revier liegt in Polen

- VON ECKHARD CZEKALLA

Spätestens im Sommer 2019 wechselt der Nationalto­rhüter vom THW Kiel zum Handball-Meister Kielce.

DÜSSELDORF Vom Band wurde zunächst Wolfsgeheu­l eingespiel­t. Dann war der Song „The Big Bad Wolf“zu hören, als sich Andreas Wolff auf den Weg zum Tisch machte, an dem der 26-Jährige wenig später einen Vierjahres­vertrag unterschri­eb. Spätestens ab Sommer 2019 trägt der Torhüter das Trikot des polnischen Topklubs KS Kielce. In den Gesprächen mit Vereinsbos­s Bertus Servaas und Trainer Talant Djusehbaev, dessen Vertrag bei derselben Pressekonf­erenz bis Sommer 2023 verlängert wurde, habe er festgestel­lt, dass „hier Handball mit Herzblut gemacht wird. Das ist eine Mannschaft, mit der ich sehr viel Spaß haben kann“.

Spaß und vor allem Erfolge hatte sich Andreas Wolff auch erhofft, als er im November 2015 seinen Wechsel vom Bundesligi­sten HSG Wetzlar zum THW Kiel bekannt gab. Der deutsche Rekordmeis­ter schien die perfekte Adresse für den ehrgeizige­n Schlussman­n zu sein. Doch die großen Hoffnungen erfüllten sich nicht. Auch war der Zeitpunkt aus finanziell­en Gesichtspu­nkten nicht günstig. Zwei Monate, nachdem er in Kiel unterschri­eben hatte und mit angeblich 20.000 Euro brutto monatlich entlohnt wurde, stieg Wolff beim EM-Gewinn in Polen vom guten Bundesliga­torhüter zum Star auf seiner Position auf. Seitdem gehört er zu den weltbesten Keepern. In Kiel aber gab es bereits einen Könner: Niklas Landin. Der Däne war 2015 von den RheinNecka­r Löwen gekommen.

Seit einiger Zeit ließ Wolff anklingen, dass er mit seiner Rolle nicht glücklich ist. In wichtigen Spielen setzte Trainer Alfred Gislason aus Sicht des deutschen Nationalto­rwarts zu oft auf seinen Rivalen. Der Versuch, mit Wolff vorzeitig zu verlängern, scheiterte. „Es ist sehr wichtig, dass rechtzeiti­g Planungssi­cherheit entsteht und alle Beteiligte­n sich auf die Aktualität konzentrie­ren können“, sagte THWGeschäf­tsführer Thorsten Storm. Sicher ist, dass Wolff die derzeit in einer schwierige­n Phase steckende Mannschaft verlässt. Vielleicht sogar schon nach Ablauf der Saison. Als er in Kiel unterschri­eb, war der Wechsel auch erst für den Sommer 2017 geplant. Doch Wolff ging schon ein Jahr früher. Wahrschein­lich ist ein vorzeitige­r Wechsel zum Champions-League-Sieger von 2016 nur eine Frage der Ablösesumm­e.

Offenbar haben die Kieler schon einen Nachfolger im Blick. Johannes Bitter, lange Jahre ein Rückhalt im Nationalte­am und Weltmeis

ter 2007, zieht es offenbar zurück in den Norden. Noch spielt der 35-Jährige, der in Oldenburg geboren wurde, beim Erstligist­en Stuttgart.

Zurzeit läuft es bei Wolff nicht rund. Er steht im Schatten von Landin. Beide Torhüter konnten das bislang enttäusche­nde Abschneide­n des einstigen deutschen Vorzeigekl­ubs nicht verhindern. „Wir können die Kurve kriegen, wenn die Jungs locker bleiben“, sagte Trainer Gislason. „Es ist eine schwierige Situation. Die Mannschaft ist ziemlich verunsiche­rt, das ist nicht zu übersehen.“Der Isländer arbeitet seit 21 Jahren als Trainer in der Bundesliga, seit 2008 in Kiel. An Manager Storm prallt die Kritik am 58Jährigen noch ab. Er sieht die Mannschaft in der Verantwort­ung. „Nein“, antwortete Gislason nach dem 28:30 vor vier Tagen bei den Geboren 3. März 1991 in Euskirchen

Position Torhüter Vereine TV Kirchzell und TV Großwallst­adt/Zweitspiel­recht (2009 bis 2013); HSG Wetzlar (bis 2016), THW Kiel (bis 2019), KS Kielce Erfolge Europameis­ter (2016), Olympia-Dritter (2016), DHB-Pokalsiege­r (2017), Finalist im EHFPokal (2011)

Länderspie­le 54 (sieben Tore) Auszeichnu­ngen Deutschlan­ds Handballer des Jahres 2015 und 2016 Rhein-Neckar Löwen auf die Frage, ob er an Rücktritt denke. Kiel fehlt ein Anführer, wie es der seit Monaten verletzte Kroate Domagoj Duvnjak ist. Die Qualität der Mannschaft ist nach wie vor gut. Patrick Wiencek, René Toft Hansen, Christian Dissinger, Steffen Weinhold, Marko Vujin, Duvnjak-Ersatz Miha Zarabec, Nikola Bilyk und Lukas Nilsson schaffen es allerdings nicht, dass die Gegner wie früher mit Respekt in ein Spiel gegen Kiel gehen. Der Rekordmeis­ter ist „normal“geworden. 6:8 Punkte in der Liga und durchwachs­ene Auftritte in der Champions League sind Ausdruck der mentalen und spielerisc­hen Krise.

Eigentlich wollte man die Serie fortsetzen, die 2015 und 2016 von den Rhein-Neckar Löwen unterbroch­en wurde. Doch von der 21. Deutschen Meistersch­aft ist man im Norden weit entfernt. Dort ist man schon froh, wenn heute ein Sieg in der Liga beim HC Erlangen gelingt.

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FOTO: HORSTMÜLER Nationalto­rhüter Andreas Wolff ist beim THW Kiel nicht rundum zufrieden.

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