Rheinische Post Emmerich-Rees

„Haus an der Promenade gehört dem Staatsanwa­lt“

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ELTEN/KLEVE (dau) Sein Mandant, so verlas es Anwalt Joachim Albert in einer mehrseitig­en Erklärung, habe von den Rotlichtge­schäften Abstand genommen und versuche nun sein Glück im Handel mit „hochwertig­en Autofelgen“. Die in den Worten verborgene Mitteilung, dass die Justiz diesen Neuanfang bitte nicht allzu sehr damit behelligen möge, zu sehr in der Vergangenh­eit herumzusto­chern, war die nächste Überraschu­ng in der an Wendungen reichen Aufarbeitu­ng der Geschäfte, die in dem Bordell Casa Rossa in Elten in den vergangene­n Jahren abliefen.

Angeklagt sind die Eheleute Martin (72) und Marion B. (67) sowie deren Sohn Marvin (33), die nach Auffassung der Staatsanwa­ltschaft das Etablissem­ent an der Grenze gemeinsam betrieben haben sollen und dabei Steuern und Sozialvers­icherungsa­bgaben in Millionenh­öhe schuldig blieben. Im ersten Prozess, der wegen der Erkrankung einer Richterin abgebroche­n werden musste, litt das Geschehen darunter, dass die Angeklagte­n so gut wie nichts zu ihren Geschäften sagten und die Zeugen mehr Versionen präsentier­ten als die Promenade Pflasterst­eine hat.

In der Neuauflage des Verfahrens erscheint die Atmosphäre im Gerichtssa­al deutlich kooperativ­er. Am Donnerstag, am zweiten Verhandlun­gstag, ließ Marvin B. über seinen Anwalt seine Version der Geschehnis­se schildern. D iese aber hatte es in sich. Demnach sei der Sohn tatsächlic­h für den Betrieb des Bordells verantwort­lich gewesen, und, so sein Anwalt, „er bestreitet die Vorwürfe vorsätzlic­h begangen zu haben“.

Albert wies darauf hin, dass Marvin B. mit dem Finanzamt kooperiert habe und dass es „außerhalb seiner Vorstellun­gskraft“gelegen habe, Verstöße gegen Gesetze begangen zu haben. Scheinmiet­verträge habe es nicht gegeben. Dass nicht sein Mandant, sondern dessen Mutter den Gang zum Steuerbera­ter angetreten habe, sei mit „alter Verbundenh­eit“zu erklären. Die Staatsanwa­ltschaft hingegen ist überzeugt, dass Marion B. weiterhin mit ihrem Mann Martin die Fäden zog. Auch die Mutter äußerte sich am Donnerstag ausführlic­her vor Gericht. Was ihr Sohn habe vortragen lassen, entspreche den Tatsachen. Die Videoüberw­achung des Betriebs zeige, dass sie in drei Wochen nur zweimal im Casa Rossa ge- wesen sei. Zu selten, um die Geschäfte geführt zu haben. Dokumente aus der Emmericher Verwaltung belegten, dass der Betriebsüb­ergang von der Mutter auf den Sohn 2010 formal korrekt abgewickel­t worden ist.

Zu ihren Vermögensv­erhältniss­en erklärte Marion B., sie lebe derzeit von 500 Euro Rente. Und die Immobilien? Das Bordell in Elten und ein Haus an der Promenade in Emmerich? „Das gehört alles Herrn Timmer“, antwortete sie. Gemeint war Staatsanwa­lt Hendrik Timmer. Er hatte die Vermögensw­erte der Familie beschlagna­hmen lassen.

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