Freundschaftsdienst für Uli Hoeneß
MÜNCHEN/SCHWALMTAL (pet) Anfang Juni 2013 lädt Jupp Heynckes zu einem Abschiedsessen nach München. Es gibt Rheinischen Sauerbraten mit Klößen und Rotkohl. Langjährige Wegbegleiter sind gekommen, Heynckes hat sie eingeladen. Hinter ihm liegt das größte Jahr seiner Geschichte als Fußballtrainer. Er hat mit Bayern München die deutsche Meisterschaft, die Champions League und den DFB-Pokal gewonnen.
Heynckes ist 68. Und er sagt: „Ich habe gemerkt, dass ich an mein Limit gekommen bin.“Er sagt aber auch: „Ich habe etwas gegen das Wort endgültig.“Das geht ein wenig unter in den Gesprächen über Ruhestand, den umgebauten Bauernhof im Schwalmtal und Spaziergänge mit seinem Schäferhund Cando.
Mehr als vier Jahre später kann aus dem Ruhestand ein einstweiliger Ruhestand werden. Heynckes wird wohl mit 72 Jahren in den Pro- fifußball zurückkehren, als Trainer des deutschen Rekordmeisters Bayern München bis zum Saisonende. Noch lässt er sich Zeit für die Zusage, aber es deutet vieles auf eine vierte Amtszeit hin.
Vor Heynckes liegt eine Aufgabe, um die ihn niemand beneiden muss. Er soll den in Schräglage geratenen Dampfer Bayern wieder aufrichten, der Mannschaft Struktur und Fitness verpassen und sie nebenbei den natürlichen Zielen eines Rekordmeisters näherbringen.
1987 kommt er zum ersten Mal zu den Bayern. Er gewinnt zwei Meisterschaften, wird aber nach einer Schwächephase der Bayern im Oktober 1991 entlassen. Der damalige Manager Uli Hoeneß sagt später: „Das ist mein größter Fehler gewesen.“Hoeneß bekommt die Gelegenheit, ihn zu korrigieren. Im Frühjahr 2009 holt er seinen alten Freund Heynckes zurück. Heynckes ist auf einer Tour durch Europa mit erfolgreichen Stationen vor allem in Spanien (Champions-League-Titel mit Real Madrid) zum ersten Mal in der Nähe des Ruhestands angelangt. Aber Hoeneß zuliebe springt er ein. Er räumt die größten Trümmer weg, die der große Reformator Jürgen Klinsmann hinterlassen hatte, und Vereins und darüber, wer im operativen Geschäft die Maßgaben erteilt, könnte auf Sicht fatal werden. In ihrem Schatten dulden die beiden Alphatiere allenfalls spaßige Randfiguren wie den sogenannten Sportdirektor Hasan Salihamidzic. Und sie halten das Projekt Bayern so fest in eigener Hand, dass sie über Erbfolgen gar nicht erst nachdenken. Zeitgemäß ist das nicht. Doch mit einem zünftigen Verweis auf das Mia-san-MiaSelbstverständnis ist schon so mancher Vorstoß auf Erneuerung abrupt geendet.
Jupp Heynckes muss sich um sein Vermächtnis keine großen Gedanken machen. Spätestens mit dem Gewinn des Triple aus Meisterschaft, DFB-Pokal und Champions League ist er zu einer Legende in seinem Metier aufgestiegen. Sollte sich seine abermalige Anstellung an der Säbener Straße zum Fiasko entwickeln, würde es nur eine Fußnote in den Geschichtsbüchern sein. Denn Heynckes hat es nicht in das Amt gedrängt, es ist ein letzter großer Freundschaftsdienst für seinen Weggefährten Hoeneß. Es verschafft ein wenig Zeit. Es offenbart aber auch schonungslos, wie nach wie vor in München gearbeitet wird: nach dem Gefallen-Prinzip, wie in einer Familie, wenn der Patriarch eine Bitte äußerst.
Und man kann davon ausgehen, dass der Pate der Säbener Straße alsbald weiterziehen wird und weitere Gefallen einfordert. Dass er Dietmar Hopp ein Angebot machen wird, ihm zur neuen Saison Julian Nagelsmann zu überlassen. Hopp ist ein Geschäftsmann, klar, strukturiert.
Jupp Heynckes steht vor seiner vierten Amtszeit als Trainer des FC Bayern. Der 72-Jährige soll die Münchner wieder starkmachen.
bringt die Bayern auf einen Champions-League-Platz. Diese Erfahrung habe „das Feuer in mir wieder entfacht“, sagt der Trainer.
Er steigt noch einmal richtig ein, bei Bayer Leverkusen. Und Hoeneß holt den Coach im Sommer 2011 erneut nach München. Die erfolgreichste Zeit des Trainers Heynckes beginnt mit schmerzhaften Niederlagen in den entscheidenden Spielen. Dortmund zieht in der Meisterschaft vorbei, das Pokalfinale verlieren die Münchner mit 2:5 gegen den BVB, und im Champions-LeagueFinale „dahoam“unterliegt der überlegene Gastgeber dem FC Chelsea nach Elfmeterschießen. Heynckes bekennt, er habe beim Weg nach Hause Rücktrittsgedanken gehegt, aber Uli Hoeneß spielt am Telefon wieder Schicksal. „Jupp, du musst bleiben“, sagt er. Jupp bleibt.
Sein Erfolgsrezept im Triplejahr: „Wir haben noch akribischer gearbeitet.“Ihm kommt zugute, dass er immer ein sehr aufmerksamer, lernwilliger, ehrgeiziger Mann geblieben ist. Und er hat seine Stärke in der zwischenmenschlichen Arbeit. „Man muss den Spielern zuhören können“, erklärt er. Und zu seinem (vorläufigen) Abschied sagt Hoeneß: „Wenn man sieht, wie Jupp die Mannschaft zu einer Einheit geformt hat, sie zu Freunden gemacht hat, ist das unglaublich. Das Team ist ihm blind gefolgt.“
So hätte Hoeneß das jetzt gerne wieder. Er will Heynckes im Vertrauen auf dessen Detailarbeit und menschliche Qualitäten holen. Andere Vereine könnten den Ruheständler nicht locken. Angebote gab es, aber sie haben ihn nicht interessiert. „Es waren reiche Klubs, wo das Geld keine Rolle spielt und wo man immer Urlaub machen kann“, hat er gesagt. Die Bayern sind zwar auch reich, aber nicht ganz so reich wie so manche Konkurrenten. Und Urlaub wird Heynckes in München ohne- hin nicht machen. Wenn er etwas macht, dann richtig. Sogar mit dem Risiko, seiner Vita nach dem makellosen Abgang 2013 ein paar kleine Schrammen zu verpassen. Er tut es für Hoeneß. „Uns verbindet eine große Freundschaft“, sagt Heynckes. Und weil Freundschaft für ihn so wichtig ist, hat er bei einem anderen Kumpel bereits angeklopft: Wie beim Triple 2013 soll Peter Hermann sein Co-Trainer werden. Der steht allerdings bis Juni bei Fortuna Düsseldorf unter Vertrag – weshalb der Rekordmeister nach Informationen unserer Redaktion bereits beim Zweitliga-Spitzenreiter angefragt hat.
Als Heynckes voriges Jahr für seine Verdienste um den Ruf seiner Heimatstadt Mönchengladbach den Ehrenring bekommt, hält Hoeneß die Laudatio. „Ich verneige mich vor deinem Lebenswerk“, erklärt er. Vielleicht tut er es im Sommer 2018 noch einmal.