Der alte FC Bayern
Beim deutschen Rekordmeister wird vor allem nach Gefühl entschieden – Uli Hoeneß hat die Macht längst wieder an sich gezogen und lässt wenig Platz für Modernisierungen. Ein Nachfolger wurde bislang nicht aufgebaut. Ein hohes Risiko.
MÜNCHEN Kurz bevor Uli Hoeneß wegen seiner Steuervergehen die Haft antrat, rief er den Mitgliedern des FC Bayern München bei einer außerordentlichen Versammlung zu: „Das war’s noch nicht.“Halb Drohung, halb Versprechen des Präsidenten. Vor allem Klubchef Karl-Heinz Rummenigge muss das wohl als Drohung verstanden haben. Denn in der Abwesenheit des Mannes, der den FC Bayern als sein Lebenswerk versteht, tat Rummenigge einiges, um den Verein nach seinen Vorstellungen umzubauen. Es wurde ein wenig kühler an der Säbener Straße, im geschäftlichen Herz der Fußballfirma Bayern.
Hoeneß aber machte seine Ankündigung wahr. Seine Anhänger, immer noch sehr zahlreich, bereiteten ihm eine triumphale Rückkehr ins Präsidentenamt. Und er gedenkt es nicht als Grüßaugust und halber Privatmann auszufüllen. Hoeneß mischt sich ein, macht Politik und zieht wieder die Fäden. Nicht immer zu Rummenigges Gefallen. Nach dem Gefängnisaufenthalt und der Rückkehr ins Präsidentenamt sagt Hoeneß über das Verhältnis zu Rummenigge: „Das ist, wie wenn es eine Scheidung war. Du musst wieder zusammenkommen.“Rummenigge sagt: „Wir sind noch nicht wieder verheiratet.“
Ein Problem der beiden Führungsfiguren liegt darin, dass Hoeneß, der Gefühlsmensch, keine Vernunftehe will. Also versucht er, in der Konkurrenz mit Rummenigge den Klub zurückzuerobern. Das Gefühl ist oft stärker als das Kalkül, und so hat er schon einige Etappensiege gefeiert. Der jüngste ist die Verpflichtung von Trainer Jupp Heynckes. Dessen Vorgänger Carlo Ancelotti war ein RummeniggeMann und dessen erster Nachfolgekandidat Thomas Tuchel ebenfalls. Hoeneß aber soll sich offen für eine Verpflichtung des Hoffenheimer Trainers Julian Nagelsmann im nächsten Sommer und für eine Übergangslösung ausgesprochen haben. Eine neuerliche Niederlage für Rummenigge.
Der Machtkampf der beiden älteren Herren (Hoeneß ist 65, Rummenigge 62) über die Ausrichtung des Er ist aber auch Herzmensch und damit mindestens empfänglich für den Hoeneß-Pathos. Nagelsmann hat unverhohlen kundgetan, früher oder später gerne einen Kontrakt beim FC Bayern zu unterschreiben zu wollen. Im Sommer 2018 wird es sehr wahrscheinlich soweit sein.
Doch mit einem jungen Trainer wird der FC Bayern nicht plötzlich modern. Es gehört deutlich mehr dazu – zum Beispiel Professionalität im sportlichen Management. Die Nominierung von Salihamidzic war ein deutliches Zeichen, dass man aber genau daran überhaupt kein Interesse verspürt. Die Alphatiere Hoeneß und Rummenigge verspüren noch keinen Drang, sich ernsthaft um die Nachfolge zu bemühen. Philipp Lahm wurde mehr als Gefahr denn als Chance wahrgenommen. Lahm hätte die Fähigkeit gehabt, seine Visionen derart fundiert in die Öffentlichkeit zu tragen, dass sich die Machtverhältnisse vor allem in der Außenwahrnehmung vermutlich schnell geändert hätten. Um Veränderungen zu wollen, muss man loslassen können. Vor allem Hoeneß klammert sich aber an die Macht – und an sein Netzwerk aus guten Freunden.
Das Fundament des FC Bayern ist stark genug, dass es etliche Fehler zulässt, ohne dass gleich Einsturzgefahr besteht. Das Selbstverständnis lässt indes kein Scheitern zu. Doch das System hat sich grundsätzlich verändert. Der Fußball hat sich verändert. Nicht mehr der FC Bayern kauft den Markt leer und kann Konkurrenten systematisch schwächen, indem er die besten Akteure wegholt. Es sind längst neue Wettbewerber dazugekommen – vor allem aus England, aber auch Spanien und Italien. Und auch die von Investoren unterstützten Klubs in der Bundesliga.
Die Bayern müssen sich selbst ganz schön strecken, um Weltstars zu verpflichten. Robert Lewandowski ist der einzige Akteur derzeit von gehobener Güteklasse. Vielleicht noch Mats Hummels und natürlich Manuel Neuer, sofern er noch einmal vollständig gesundet. Aus der eigenen Jugend kam zuletzt viel zu wenig nach. Thomas Müller und David Alaba sind die Letzten, die den Sprung über die eigene Nachwuchsarbeit geschafft haben. Bayern hat in diesem Bereich wohl das größte Versäumnis begangen. Bis die unlängst eröffnete Akademie erste Erfolge präsentieren kann, werden noch Jahre vergehen.