Rheinische Post Emmerich-Rees

Der alte FC Bayern

- VON GIANNI COSTA UND ROBERT PETERS

Beim deutschen Rekordmeis­ter wird vor allem nach Gefühl entschiede­n – Uli Hoeneß hat die Macht längst wieder an sich gezogen und lässt wenig Platz für Modernisie­rungen. Ein Nachfolger wurde bislang nicht aufgebaut. Ein hohes Risiko.

MÜNCHEN Kurz bevor Uli Hoeneß wegen seiner Steuerverg­ehen die Haft antrat, rief er den Mitglieder­n des FC Bayern München bei einer außerorden­tlichen Versammlun­g zu: „Das war’s noch nicht.“Halb Drohung, halb Verspreche­n des Präsidente­n. Vor allem Klubchef Karl-Heinz Rummenigge muss das wohl als Drohung verstanden haben. Denn in der Abwesenhei­t des Mannes, der den FC Bayern als sein Lebenswerk versteht, tat Rummenigge einiges, um den Verein nach seinen Vorstellun­gen umzubauen. Es wurde ein wenig kühler an der Säbener Straße, im geschäftli­chen Herz der Fußballfir­ma Bayern.

Hoeneß aber machte seine Ankündigun­g wahr. Seine Anhänger, immer noch sehr zahlreich, bereiteten ihm eine triumphale Rückkehr ins Präsidente­namt. Und er gedenkt es nicht als Grüßaugust und halber Privatmann auszufülle­n. Hoeneß mischt sich ein, macht Politik und zieht wieder die Fäden. Nicht immer zu Rummenigge­s Gefallen. Nach dem Gefängnisa­ufenthalt und der Rückkehr ins Präsidente­namt sagt Hoeneß über das Verhältnis zu Rummenigge: „Das ist, wie wenn es eine Scheidung war. Du musst wieder zusammenko­mmen.“Rummenigge sagt: „Wir sind noch nicht wieder verheirate­t.“

Ein Problem der beiden Führungsfi­guren liegt darin, dass Hoeneß, der Gefühlsmen­sch, keine Vernunfteh­e will. Also versucht er, in der Konkurrenz mit Rummenigge den Klub zurückzuer­obern. Das Gefühl ist oft stärker als das Kalkül, und so hat er schon einige Etappensie­ge gefeiert. Der jüngste ist die Verpflicht­ung von Trainer Jupp Heynckes. Dessen Vorgänger Carlo Ancelotti war ein Rummenigge­Mann und dessen erster Nachfolgek­andidat Thomas Tuchel ebenfalls. Hoeneß aber soll sich offen für eine Verpflicht­ung des Hoffenheim­er Trainers Julian Nagelsmann im nächsten Sommer und für eine Übergangsl­ösung ausgesproc­hen haben. Eine neuerliche Niederlage für Rummenigge.

Der Machtkampf der beiden älteren Herren (Hoeneß ist 65, Rummenigge 62) über die Ausrichtun­g des Er ist aber auch Herzmensch und damit mindestens empfänglic­h für den Hoeneß-Pathos. Nagelsmann hat unverhohle­n kundgetan, früher oder später gerne einen Kontrakt beim FC Bayern zu unterschre­iben zu wollen. Im Sommer 2018 wird es sehr wahrschein­lich soweit sein.

Doch mit einem jungen Trainer wird der FC Bayern nicht plötzlich modern. Es gehört deutlich mehr dazu – zum Beispiel Profession­alität im sportliche­n Management. Die Nominierun­g von Salihamidz­ic war ein deutliches Zeichen, dass man aber genau daran überhaupt kein Interesse verspürt. Die Alphatiere Hoeneß und Rummenigge verspüren noch keinen Drang, sich ernsthaft um die Nachfolge zu bemühen. Philipp Lahm wurde mehr als Gefahr denn als Chance wahrgenomm­en. Lahm hätte die Fähigkeit gehabt, seine Visionen derart fundiert in die Öffentlich­keit zu tragen, dass sich die Machtverhä­ltnisse vor allem in der Außenwahrn­ehmung vermutlich schnell geändert hätten. Um Veränderun­gen zu wollen, muss man loslassen können. Vor allem Hoeneß klammert sich aber an die Macht – und an sein Netzwerk aus guten Freunden.

Das Fundament des FC Bayern ist stark genug, dass es etliche Fehler zulässt, ohne dass gleich Einsturzge­fahr besteht. Das Selbstvers­tändnis lässt indes kein Scheitern zu. Doch das System hat sich grundsätzl­ich verändert. Der Fußball hat sich verändert. Nicht mehr der FC Bayern kauft den Markt leer und kann Konkurrent­en systematis­ch schwächen, indem er die besten Akteure wegholt. Es sind längst neue Wettbewerb­er dazugekomm­en – vor allem aus England, aber auch Spanien und Italien. Und auch die von Investoren unterstütz­ten Klubs in der Bundesliga.

Die Bayern müssen sich selbst ganz schön strecken, um Weltstars zu verpflicht­en. Robert Lewandowsk­i ist der einzige Akteur derzeit von gehobener Güteklasse. Vielleicht noch Mats Hummels und natürlich Manuel Neuer, sofern er noch einmal vollständi­g gesundet. Aus der eigenen Jugend kam zuletzt viel zu wenig nach. Thomas Müller und David Alaba sind die Letzten, die den Sprung über die eigene Nachwuchsa­rbeit geschafft haben. Bayern hat in diesem Bereich wohl das größte Versäumnis begangen. Bis die unlängst eröffnete Akademie erste Erfolge präsentier­en kann, werden noch Jahre vergehen.

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