Rheinische Post Emmerich-Rees

Schnäppche­n im Schlussver­kauf

- VON MATTHIAS VON ARNIM

Eine Insolvenz eröffnet Investoren auch Chancen.

Wenn ein hoher Schuldenbe­rg die Bilanz belastet und die Einnahmen nicht mehr die Ausgaben decken, dann kann jeder weitere Tag, an dem keine Lösung für das Dilemma gefunden wird, zum Albtraum für Eigentümer, Arbeitnehm­er und Gläubiger werden. Wird als solch eine Lösung die geordnete Insolvenz gewählt, läuft auch dann die Uhr – allerdings tickt zuweilen die Hoffnung mit, dass am Ende nicht die Liquidatio­n des Unternehme­ns steht, sondern ein Verkauf.

Der kann durchaus Vorteile bringen. Der Gesetzgebe­r hat hilfreiche Grundlagen dafür gelegt. Ein wichtiges Instrument ist etwa das Insolvenzg­eld. Über einen mehrstufig­en Weg zahlt die Arbeitsage­ntur nach Eröffnung des Insolvenzv­erfahrens die Löhne. Der Vorteil: Das betroffene Unternehme­n gewinnt Liquidität und je nach Personalde­cke wieder etwas mehr Handlungsf­ähigkeit. „Für den Insolvenzv­erwalter öffnet sich durch diesen Liquidität­sgewinn ein Zeitfenste­r, in dem er eruieren kann, ob und unter welchen Umständen sich ein Verkauf des Unternehme­ns lohnt – und natürlich, ob es überhaupt Interessen­ten gibt“, erklärt Dr. Marco Wilhelm von der Wirtschaft­skanzlei Mayer Brown.

Damit sich potenziell­e Käufer ein Bild vom zum Verkauf stehenden Unternehme­n machen können, erstellt der Ver- walter oft einen sogenannte­n Datenraum und ein Informatio­n Memorandum, in dem die wesentlich­en Eckdaten des Unternehme­ns zusammenge­fasst werden. „Soll ein Unternehme­n ohne Geld- und Zeitdruck verkauft werden, dauert die Aufbereitu­ng der Daten häufig Monate. Im Falle einer Insolvenz reden wir hier über wenige Wochen. Es ist klar, dass das Informatio­n Memorandum und der Datenraum lückenhaft sind“, so Wilhelm. Dazu komme, dass Unternehme­n, die in Schwierigk­eiten sind, nicht selten auch Probleme im kaufmännis­chen Bereich hätten. Die Datenlage sei oft schlecht.

Für potenziell­e Käufer bedeutet das Risiko und Chance zugleich. Auf der einen Seite steht das Risiko, das damit verbunden ist, dass nicht alle Schwachste­llen des Unternehme­ns sofort ersichtlic­h sind. Dazu kommt, dass der Insolvenzv­erwalter als Verkäufer praktisch keine Garantien gibt: Anders als bei einem normalen Verkauf außerhalb einer Insolvenz kann der Käufer später faktisch keine Regressans­prüche geltend machen. Auf der anderen Seite gibt es auch Chancen für den Käufer. Zum Beispiel im Preis. Denn das Risiko wird durch einen entspreche­nden Abschlag auf den geschätzte­n Unternehme­nswert berücksich­tigt. „Der Käufer muss so kalkuliere­n, dass er mit dem Preis leben kann, wenn etwas schiefgeht“, so Wilhelm. Eine weitere Chance liegt darin, ein eigentlich gutes Unternehme­n günstig zu übernehmen. „Unternehme­n können aus verschiede­nen Gründen in Schwierigk­eiten geraten. Manchmal reicht es, dass ein großer Kunde nicht mehr zahlungsfä­hig ist – und schon kann ein ansonsten solider Zulieferbe­trieb ins Trudeln geraten“, erklärt Marco Wilhelm. Vielleicht hält ein insolvente­s Unternehme­n auch wichtige Patente oder Lizenzen, die für einen Investor interessan­t sein können.

Ein großes Plus: Wer ein Unternehme­n aus der Insolvenz heraus übernimmt, bekommt es ohne Steuerverb­indlichkei­ten, ohne rückständi­ge Gehaltsfor­derungen und komplett schuldenfr­ei. Denn die Gläubiger werden aus dem Kaufpreis bedient.

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FOTO: ALOIS MÜLLER Dr. Marco Wilhelm, Partner bei Mayer Brown

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