Schnäppchen im Schlussverkauf
Eine Insolvenz eröffnet Investoren auch Chancen.
Wenn ein hoher Schuldenberg die Bilanz belastet und die Einnahmen nicht mehr die Ausgaben decken, dann kann jeder weitere Tag, an dem keine Lösung für das Dilemma gefunden wird, zum Albtraum für Eigentümer, Arbeitnehmer und Gläubiger werden. Wird als solch eine Lösung die geordnete Insolvenz gewählt, läuft auch dann die Uhr – allerdings tickt zuweilen die Hoffnung mit, dass am Ende nicht die Liquidation des Unternehmens steht, sondern ein Verkauf.
Der kann durchaus Vorteile bringen. Der Gesetzgeber hat hilfreiche Grundlagen dafür gelegt. Ein wichtiges Instrument ist etwa das Insolvenzgeld. Über einen mehrstufigen Weg zahlt die Arbeitsagentur nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Löhne. Der Vorteil: Das betroffene Unternehmen gewinnt Liquidität und je nach Personaldecke wieder etwas mehr Handlungsfähigkeit. „Für den Insolvenzverwalter öffnet sich durch diesen Liquiditätsgewinn ein Zeitfenster, in dem er eruieren kann, ob und unter welchen Umständen sich ein Verkauf des Unternehmens lohnt – und natürlich, ob es überhaupt Interessenten gibt“, erklärt Dr. Marco Wilhelm von der Wirtschaftskanzlei Mayer Brown.
Damit sich potenzielle Käufer ein Bild vom zum Verkauf stehenden Unternehmen machen können, erstellt der Ver- walter oft einen sogenannten Datenraum und ein Information Memorandum, in dem die wesentlichen Eckdaten des Unternehmens zusammengefasst werden. „Soll ein Unternehmen ohne Geld- und Zeitdruck verkauft werden, dauert die Aufbereitung der Daten häufig Monate. Im Falle einer Insolvenz reden wir hier über wenige Wochen. Es ist klar, dass das Information Memorandum und der Datenraum lückenhaft sind“, so Wilhelm. Dazu komme, dass Unternehmen, die in Schwierigkeiten sind, nicht selten auch Probleme im kaufmännischen Bereich hätten. Die Datenlage sei oft schlecht.
Für potenzielle Käufer bedeutet das Risiko und Chance zugleich. Auf der einen Seite steht das Risiko, das damit verbunden ist, dass nicht alle Schwachstellen des Unternehmens sofort ersichtlich sind. Dazu kommt, dass der Insolvenzverwalter als Verkäufer praktisch keine Garantien gibt: Anders als bei einem normalen Verkauf außerhalb einer Insolvenz kann der Käufer später faktisch keine Regressansprüche geltend machen. Auf der anderen Seite gibt es auch Chancen für den Käufer. Zum Beispiel im Preis. Denn das Risiko wird durch einen entsprechenden Abschlag auf den geschätzten Unternehmenswert berücksichtigt. „Der Käufer muss so kalkulieren, dass er mit dem Preis leben kann, wenn etwas schiefgeht“, so Wilhelm. Eine weitere Chance liegt darin, ein eigentlich gutes Unternehmen günstig zu übernehmen. „Unternehmen können aus verschiedenen Gründen in Schwierigkeiten geraten. Manchmal reicht es, dass ein großer Kunde nicht mehr zahlungsfähig ist – und schon kann ein ansonsten solider Zulieferbetrieb ins Trudeln geraten“, erklärt Marco Wilhelm. Vielleicht hält ein insolventes Unternehmen auch wichtige Patente oder Lizenzen, die für einen Investor interessant sein können.
Ein großes Plus: Wer ein Unternehmen aus der Insolvenz heraus übernimmt, bekommt es ohne Steuerverbindlichkeiten, ohne rückständige Gehaltsforderungen und komplett schuldenfrei. Denn die Gläubiger werden aus dem Kaufpreis bedient.