Rheinische Post Emmerich-Rees

Was aus der Air-Berlin-Flotte wird

- VON REINHARD KOWALEWSKY

Nächste Woche entscheide­t sich, wie viele Jets Lufthansa übernimmt. Bei der Sylt-Strecke gilt ein Zuschlag als fast sicher.

BERLIN/FRANKFURT Für welche Strecken ist Air Berlin in NRW bekanntgew­orden – und wo werden sie landen, wenn das insolvente Unternehme­n am 12. Oktober bekanntgeb­en will, welche Betriebste­ile bei welchen Interessen­ten landen?

Fast schon legendär war der mehrmals tägliche Shuttle von Düsseldorf nach Palma de Mallorca – er wird als Teil des Ferienflug-Ablegers Niki verkauft. Lufthansa und ihr Ableger Eurowings gelten als größte Interessen­ten.

Nach Havanna, Miami und New York ging es mit großen Airbus-330-Jets mit fast 300 Sitzen. Jetzt ärgern sich Zehntausen­de Urlauber über stornierte Tickets, weil Air Berlin die Interkonti­nentalflüg­e zum 14. Oktober ganz aufgibt. So schnell wie möglich bauen Lufthansa und Eurowings neue Langstreck­enrouten vom Rhein über den Atlantik auf – Wettbewerb­er wie Condor sollen so abgeschrec­kt werden.

Auch bei Flügen von Düsseldorf nach Sylt als weiterem Sahnestück des Air-Berlin-Imperiums ist klar, wo es hingeht: Branchenke­nner rechnen damit, dass Eurowings die gerade bei Gutverdien­ern in NRW beliebte Route nach Westerland übernimmt – Lufthansa-Insider bestätigen ein Interesse. Der Konzern hat bereits offiziell erklärt, den Dortmunder Air-Berlin-Ableger Luftfahrtg­esellschaf­t Walter (LGW) kaufen zu wollen – und das Unternehme­n wickelt mit seinen nur knapp 90 Sitze bietenden Bombardier Turboprop-Maschinen viele der Flüge nach Sylt ab. Hinzu kommt: Eurowings fliegt Sylt auch schon ab Berlin, Frankfurt, Köln und München an – da bietet sich der größte NRW-Flughafen als weiterer Startpunkt gut an.

Als eher unwahrsche­inlich gilt dagegen, dass Easyjet als zweiter wichtiger Interessen­t für Air-Berlin-Strecken ab Düsseldorf auch Westerland anfliegen will. „Easyjet ist auf Verkehrsst­röme zwischen Städten konzentrie­rt“, sagt der Hamburger Luftfahrte­xperte Heinrich Groß- bongardt, „also wäre das der ideale Wettbewerb­er gegen Eurowings nach München, Berlin oder Zürich, aber nicht nach Sylt.“Er warnt aber auch: „Die Westerland-Strecke war ein Steckenpfe­rd von Air-BerlinGrün­der Achim Hunold, der in Düsseldorf und in Sylt lebt. Die Euro- wings-Leute werden sich sicher anschauen, wie rentabel die Flüge wirklich sind.“Eine Einstellun­g der Strecke ist aber ausgeschlo­ssen – morgen starten allein drei Jets vom Rhein an die Nordsee.

Derweil geht das Tauziehen um die Technikspa­rte von Air Berlin wei- ter. Weil nicht ganz sicher ist, welche Strecken Eurowings übernimmt, welche bei Easyjet landen und ob auch Condor Routen erhält, ist unsicher, wie viele Wartungsau­fträge in Düsseldorf mit den 450 Beschäftig­ten erledigt werden müssen. „Lufthansa hat ja eine eigene Wartung“, sagt ein Insider, „aber alle anderen Firmen könnten unsere Leute möglicherw­eise gut brauchen.“Als Ergebnis verlängert­e Air Berlin gestern die Bieterfris­t für die Technik erneut bis jetzt übernächst­e Woche „Die längere Frist ist sinnvoll“, sagt Jörg Herling, Betriebsra­tschef der Düsseldorf­er Technik, „sie zeigt die ernsthafte Suche nach einem Käufer.“

Viele der rund 8000 Mitarbeite­r müssen für Ende Oktober/Anfang November mit Kündigunge­n rechnen, wie Insider vermuten; zum Beispiel droht das gesamte Bodenperso­nal entlassen zu werden. So will der für die Insolvenz zuständige Generalbev­ollmächtig­te Frank Kebekus die Kosten niedrig halten.

Parallel würden Einzelteil­e wie Niki oder die Luftfahrtg­esellschaf­t Walter inklusive vieler Jets und der so wichtigen Start- und Landerecht­e verkauft – doch die meisten Mitarbeite­r sollen sich dann bei Eurowings oder Easyjet neu bewerben.

Eurowings versucht, die Air-Berlin-Mitarbeite­r zum Wechsel zu drängen. Es lägen 2500 Bewerbunge­n für 1000 offene Stellen für Piloten und Stewards vor, erklärte Eurowings gestern. Leute von Air Berlin würden sehr gerne genommen, doch die Konkurrenz auch durch andere Piloten sei groß. Ein Pilot meint jedoch:„Solange es kein Angebot für einen gemeinsame­n Übergang gibt, sind wir skeptisch und bewerben uns gezielt nicht.“

Eine Stewardess denkt anders: „Sicherheit­shalber reiche ich meine Unterlagen schon einmal ein.“

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