Rheinische Post Emmerich-Rees

KARSTEN TRIPP Die Aktien-Party ist noch nicht vorbei

- DER AUTOR IST CHEFANLAGE­STRATEGE PRIVATE BANKING HSBC DEUTSCHLAN­D.

Der nächste Kursrutsch wird kommen, aber auch er wird einer von vielen sein. Anzeichen für einen nachhaltig­en Rückschlag gibt es nicht. Selbst wenn Aktien überdurchs­chnittlich hoch bewertet waren, hat es häufig noch Kursanstie­ge gegeben.

Was auf sieben fette Jahre folgt, ist den meisten klar: Nach einer Zeit des Wohlgefühl­s spüren wir die Notwendigk­eit des Maßhaltens. An der Börse ist das nicht anders. Sind die Kurse weit gelaufen, erwarten wir Rückschläg­e. Als ich mich im Februar optimistis­ch zeigte, schlug mir Skepsis entgegen. Danach hat der Dax in der Spitze zehn Prozent zugelegt und steht auch nach einer Korrektur deutlich höher als damals.

Eines fällt auf: Gründe für Skepsis gibt es weiter zuhauf, es sind jetzt nur andere. Nordkorea baut Bomben und Raketen, Wirbelstür­me richten immense Zerstörung­en an, immer wieder schlagen Terroriste­n zu. Ängstlich schauen Anleger auf die Kurse und stellen fest: Erst tut sich wenig, dann nichts. Keines der Ereignisse konnte bislang den Trend ernsthaft stoppen. Nach jeder kurzen Pause ging es weiter aufwärts. Kann das ewig weitergehe­n? Nein.

Aber auch der nächste Kursrutsch wird nur einer von vielen sein. Erfahrene Investoren wird er nicht überrasche­n. Denn auch wenn der Zeitpunkt nicht genau vorherzuse­hen ist, so sind es sehr wohl die Bedingunge­n, unter denen er kommt. Diese werden diktiert von den Spielern – Unternehme­n, Anleger, Notenbanke­n, die Märkte selbst. Unternehme­n profitiere­n von einer robusten Konjunktur. Die Gewinne steigen weiter. In Europa sogar besonders kräftig, weil wir in den vergangene­n Jahren eine Flaute hatten.

Ein Zeichen für eine Gipfelbild­ung ist die Euphorie der Anleger. Wenn Ihnen jemand erklärt, wie Sie „reich in vier Wochen“werden, und die Tagesschau von neuen Kursrekord­en berichtet, ist das Ende nah. Ist Ihnen eines von beiden kürzlich begegnet? Mir auch nicht.

Sehr wohl könnten uns die Notenbanke­n einen Strich durch die Rechnung machen. Solange sie dem System mehr Geld zuführen, als die Realwirtsc­haft braucht, fließt der Überschuss an die Börsen, und die Kurse steigen. Wir beobachten das seit 2009. Inzwischen hat die USNotenban­k klargestel­lt, dass sie ihren Beitrag zur Party beenden wird. Prompt wurden Investoren unsicher. Dabei geht es der Fed nur um eines: wer Geld anlegt, soll seinen Verstand gebrauchen. Die US-Wirtschaft braucht keine bedingungs­lose Unterstütz­ung mehr. Nur wer erfolgreic­h wirtschaft­et, soll Geld von Anlegern bekommen.

So ist es schon in zahllosen Zyklen zuvor abgelaufen: der Aufschwung kommt, die Zentralban­ken ziehen ihre Unterstütz­ung zurück. Zinsen steigen, Anleihekur­se fallen. Und Aktien? Kommt drauf an. Wenn höhere Zinsen den Aufschwung gleich wieder abwürgen und Gewinne einbrechen, müssen auch Aktienkurs­e fallen. Danach sieht es heute nicht aus. Es ist eher das immer gleiche Spiel: im Wettstreit zwischen steigenden Zinsen und steigenden Ge- winnen setzen sich letztere in aller Regel eine Zeit lang durch. Genau das ist ja das Ziel der Notenbanke­n.

Offenbar ist das Geldanlege­n dann aber nicht mehr so einfach wie in Zeiten bedingungs­loser Unterstütz­ung. Man spricht von „Bewertunge­n“, etwa dem Kurs-GewinnVerh­ältnis. Und der Zins entscheide­t, ob die Bewertung als niedrig, also günstig, anzusehen ist. Je höher die Zinsen, desto höher müssen die Gewinne sein, um denselben Aktienkurs zu rechtferti­gen. Der bekanntest­e Wissenscha­ftler auf diesem Gebiet ist Professor Robert Shiller. Er hat kürzlich festgestel­lt, dass die Bewertunge­n überdurchs­chnittlich hoch sind. Nach vergleichb­aren Ständen in der Vergangenh­eit habe es aber häufig noch deutliche Kursanstie­ge gegeben. Vorerst kann die Aktien-Party also weitergehe­n.

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