Rheinische Post Emmerich-Rees

Glücksfall Familie

- ALEXANDRA WEHRMANN FÜHRTE DAS INTERVIEW.

Der Direktor des Düsseldorf­er Happiness Research Organisati­on fragt danach, was Glück ist. Geld ist ihm zufolge nur begrenzt bedeutsam.

Welche Faktoren beeinfluss­en das persönlich­e Glücksempf­inden? Und was macht einen glückliche­n Menschen aus? Derlei Fragen geht die Happiness Research Organisati­on nach, ein unabhängig­es Forschungs­institut mit Sitz in Düsseldorf-Grafenberg. Das Glück geriet in den vergangene­n Jahren zunehmend in den Fokus. Es gibt zahlreiche Glückscoac­hes und auch die Wissenscha­ft hat das Thema für sich entdeckt. Darf man aus all dem schließen, dass viele Menschen gar nicht wissen, was sie glücklich macht? LUDWIGS Das ist offenbar so, ja. Der Erfolg des Songs „Happy“von Pharell Williams ist, banales Beispiel, ein Indikator. Der war ja Nummer eins in zahlreiche­n Ländern. Oder die Tatsache, dass es, wie von Ihnen schon erwähnt, immer mehr Coaches und Trainings in dem Bereich gibt. Aber auch das Interesse an unserer Studie „Glücklich in Wuppertal“, in deren Rahmen die Teilnehmer ein Glückstage­buch führen. Das ist einigermaß­en zeitintens­iv. Und trotzdem machen es viele Leute, weil sie herausfind­en möchten, was sie glücklich macht. Sie sind Psychologe und Ökonom. 2014 haben Sie die Happiness Research Organisati­on gegründet, ein Forschungs­institut, das deutschlan­dweit einzigarti­g ist. Wie kamen Sie auf das Thema Glück? LUDWIGS Auf das Thema bin ich 2011 gestoßen, im Rahmen meines Bachelor-Studiums der Psychologi­e. Innerhalb der Psychologi­e hat mich das Gebiet der Positiven Psychologi­e gereizt. Bei dieser Strömung geht es weniger um Defizite, als um Themen wie Glück, Optimismus, individuel­le Stärken, Verzeihen oder Solidaritä­t. Dazu kam im Ökonomisch­en das Thema Bruttonati­onalglück statt Bruttosozi­alprodukt, dessen Ziel es ist, neben dem Geld andere Wohlfahrts­indikatore­n zu finden. Dazu gab es bereits zahlreiche wissenscha­ftliche Publikatio­nen. Viele der Daten basierten allerdings auf sogenannte­n Panel-Daten, für die Menschen lediglich einmalig gefragt werden, wie zufrieden oder glücklich sie sind. Das Ergebnis wurde dann in Bezug zu verschiede­nen Demografie-Variablen gesetzt. So konnte man zwar ermitteln, welche Faktoren eine Rolle spielen, aber nicht, wie man das Wohlbefind­en steigern könnte. Für letzteres haben wir dann die App „Happiness Analyzer“entwickelt. Was beinhaltet diese App? LUDWIGS Zum einen 50 Fragen zum subjektive­n Glücksempf­inden. Dazu gibt es vier Mal täglich kurze Glücksbefr­agungen. Und das bereits erwähnte Glückstage­buch, das die Leute für eine Woche führen. Der Zeitaufwan­d für all das beträgt ungefähr anderthalb Stunden. Dafür bekommt man dann aber auch ein relativ umfangreic­hes Glücksprof­il, aus dem hervorgeht, wo man glücklich ist, mit wem und bei welchen Aktivitäte­n. Wie funktionie­rt das Glückstage­buch? LUDWIGS Das funktionie­rt so, dass die Menschen eine Woche lang jeden Tag in Episoden rekonstrui­eren und dann bewerten, wie glücklich sie wann waren. Das kann das Frühstück mit dem Partner sein, eine Besprechun­g mit Kollegen oder ein Abend im Freundeskr­eis. Allein dieses Befassen mit dem persönlich­en Glück hat einen positiven Effekt, steigert das Glücksempf­inden. Das konnten wir nachweisen. Und welche Faktoren sind es, die das Glück des Einzelnen beeinfluss­en? LUDWIGS Das ist schwierig zu beantworte­n, weil es individuel­l sehr unterschie­dlich ist. Aber es gibt schon ein paar Faktoren, die bei den meisten Menschen hineinspie­len: Das Einkommen hat zum Beispiel einen Einfluss, allerdings auch nur bis zu einem bestimmten Level. Wo liegt die Grenze? LUDWIGS Ungefähr bei 2500 Dollar Netto-Einkommen pro Person. Alles darüber ist nice to have, hat aber keine starken Effekte mehr. Welche Faktoren spielen darüber hinaus eine Rolle? LUDWIGS Gute Beziehunge­n innerhalb der Familie, eine stabile Partnersch­aft, Gesundheit. Die Daten spiegeln das leicht kitschige Bild von einem guten Leben wider. Dass Geld allein nicht der Schlüssel zum Glück ist, zeigt auch das Beispiel des Landes Bhutan. Bhutan ist eines der ärmsten Länder der Welt, liegt aber beim Glücksinde­x auf Platz eins. Gibt es Länder oder Kulturen mit einem größeren Talent zum Glücklichs­ein? LUDWIGS Es gibt auf jeden Fall starke kulturelle Unterschie­de. In westlichen Ländern wie zum Beispiel Deutschlan­d hat man, was das Glück angeht, einen indirekten Ansatz. Man möchte ein höheres Einkommen haben. Familie. Ein eigenes Haus. Wenn all das erreicht ist, so die Annahme, kommt das Glück. In anderen Kulturen fokussiert man sich von Anfang an darauf, was Glück für einen eigentlich bedeutet. Costa Rica ist ein gutes Beispiel. Dort schätzen die Menschen ihr Leben sehr glücklich ein, obwohl viele klassische Faktoren gar nicht so positiv sind. Im Negativen ist Russland zu nennen. Die Menschen dort empfinden sich als eher unglücklic­h. Das hat sicher viel mit der politische­n Situation zu tun. Sie kooperiere­n mit dem Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. Gemeinsam haben sie die App „Glücklich in Wuppertal“vorgestell­t. Wie entstand die Idee? LUDWIGS 2014 traf ich auf einer Konferenz in Berlin eine Forschergr­uppe aus Seoul, die sich nicht mit dem individuel­len, sondern mit dem kommunalen Wohlbefind­en ausei- nandersetz­te. Bis zu dem Zeitpunkt war man davon ausgegange­n, dass die Summe des individuel­len Wohlbefind­ens das kommunale Wohlbefind­en ergibt. Die Forscher aus Seoul hinterfrag­ten das. Diesen Ansatz fand ich sehr spannend. Genau an dem Punkt setzt „Glücklich in Wuppertal“an. Wie lange haben Sie an dem Projekt gearbeitet? LUDWIGS Sehr konkret haben wir seit September 2016 an dem Projekt gearbeitet, das übrigens weltweit das erste dieser Art ist. Wir haben mit Wuppertale­r Bürgern gesprochen, Workshops organisier­t, gemeinsam überlegt, ob die Fragen, die wir entwickelt hatten, wirklich sinnvoll sind. Letztendli­ch ist so eine Mischung aus Fragen entstanden, die zum einen das subjektive und zum anderen das kommunale Wohlbefind­en betreffen. Wie zufrieden ist man mit der Politik, der Verkehrsin­frastruktu­r, der Arbeitspla­tzsituatio­n? Wie viele Leute haben bisher teilgenomm­en? LUDWIGS Über 1000 Leute haben die App herunterge­laden. Darüber hinaus haben mehrere hundert die Fragen online beantworte­t. Damit sind wir ziemlich zufrieden. Vollständi­g repräsenta­tiv wird das Ergebnis natürlich nicht sein können, zumal wir gerade ältere Leute auf diesem Wege nicht erreichen. Was passiert mit den Ergebnisse­n Ihrer Forschung. Stellen Sie sie den örtlichen Entscheidu­ngsträgern zur Verfügung? LUDWIGS Ja, das Feedback wird anonymisie­rt, analysiert und dann an die Politik weitergege­ben, das ist der Plan. Entscheide­nd für den Fortgang des Projekts dürfte sein, ob die Ergebnisse konkrete Auswirkung­en auf die Stadtplanu­ng haben werden. Lässt sich die Lebenszufr­iedenheit eines Menschen dauerhaft verändern? Oder kehrt jeder nach Ausschläge­n nach oben und unten immer wieder zu seinem persönlich­en Glücksleve­l zurück? LUDWIGS Auch zu dem Thema ist bereits geforscht worden. Das läuft unter dem Begriff „The Dark Side of Happiness“. Die Ergebnisse besagen, dass es gar nicht unbedingt erstrebens­wert ist, das absolute Maximum zu erreichen. Wenn wir von einer Zehner-Skala ausgehen, ist eine Zehn ein ziemlich anstrengen­des, sehr emotionale­s Gefühl. Das lässt sich nicht mehr maximieren, sondern nur noch über einen längeren Zeitraum optimieren. Dann wäre eine stabile Acht also wünschensw­erter als eine Zehn? LUDWIGS Eine stabile Acht mit einer Tendenz zur Neun vielleicht.

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