Rheinische Post Emmerich-Rees

Merkel will keine Vorbedingu­ng für Jamaika

- VON KRISTINA DUNZ UND BIRGIT MARSCHALL

Grüne Parteilink­e kritisiere­n den Unionskomp­romiss zur Flüchtling­spolitik. Nächste Woche wird sondiert.

BERLIN Kanzlerin Angela Merkel sieht im Kompromiss mit der CSU auf eine Richtgröße von 200.000 Flüchtling­en pro Jahr keine Hürde für eine Jamaika-Koalition. Wichtig sei nur, dass die Union nach langem Streit nun mit einer gemeinsame­n Haltung in der nächsten Woche in die Sondierung­sgespräche mit FDP und Grünen gehe, sagte Merkel gestern in einer Pressekonf­erenz mit CSU-Chef Horst Seehofer in Berlin. Die beiden potenziell­en Koalitions­partner äußerten sich umgehend kritisch. Grünen-Chef Cem Özdemir mahnte: „Am Ende kommt etwas anderes raus.“Grünen-Fraktionsc­hef Anton Hofreiter sagte unse- rer Redaktion, die Zahl 200.000 sei willkürlic­h gegriffen.

CDU und CSU hatten sich am Sonntagabe­nd mühsam auf diese Größenordn­ung geeinigt. Die vom bayerische­n Ministerpr­äsidenten geforderte starre Obergrenze soll es nicht geben. Dagegen wird das Grundrecht auf Asyl hervorgeho­ben, worauf Merkel bestanden hatte. Die CDU-Vorsitzend­e betonte, kein Asylbewerb­er über der Zahl 200.000 werde abgewiesen, sondern bekomme ein „ordentlich­es“Verfahren. Mit dem Papier gibt sie aber die Garantie ab, alle Anstrengun­gen zu unternehme­n, damit sich das Jahr 2015 mit fast einer Million Flüchtling­en nicht wiederholt und die Zahl 200.000 eingehalte­n wird. Merkel kündigte an, jetzt wür- den alle Unterschie­de mit FDP und Grünen durchdekli­niert. Am 16. Oktober treffen sich CDU und CSU noch einmal intern, um ihre Linie unter anderem bei der Rente festzulege­n – Knackpunkt ist hier die von der CSU geforderte Aufstockun­g der Mütterrent­e. Am 18. Oktober will die Union zunächst getrennt mit FDP und Grünen sprechen, zwei Tage später in großer Runde.

In die Gesamtzahl von 200.000 Menschen bezieht die Union nicht den Zuzug von EU-Arbeitnehm­ern sowie von ausländisc­hen Fachkräfte­n im Rahmen eines möglichen „Fachkräfte-Zuwanderun­gsgesetzes“ein. Ferner sollen Bundesregi­erung und Bundestag bei „internatio­nalen oder nationalen Entwicklun­gen“wie Kriegen oder hoher Ar- beitslosig­keit von der Zielgröße abweichen können. Alle neu ankommende­n Asylbewerb­er sollen für die Dauer ihres Verfahrens in „Entscheidu­ngs- und Rückführun­gszentren“bleiben. Der Grünen-Parteilink­e Jürgen Trittin bezeichnet­e diese als „Abschiebez­entren“. Sie seien in der großen Koalition schon an der SPD gescheiter­t, sagte er unserer Redaktion. „Wie will man diese nun mit Grünen und der FDP umsetzen?“

Seehofer zeigte sich „ rundum zufrieden“. Für ihn sei der „materielle Gehalt“entscheide­nd. Auf die Frage, warum sie sich nicht früher geeinigt hätten, sagte Merkel: „Alles hat seine Zeit. Gestern war diese Zeit.“

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