Rheinische Post Emmerich-Rees

Wer noch als Flüchtling kommen darf

- VON EVA QUADBECK

Die Einigung der Union in der Flüchtling­spolitik macht den Weg frei für Koalitions­verhandlun­gen. Weiterer Streit ist aber in Sicht.

BERLIN Mit ihrer Einigung in der Flüchtling­spolitik haben CDU und CSU eine Grundlage für die anstehende­n Koalitions­verhandlun­gen mit FDP und Grünen geschaffen. Erstmals haben die Schwesterp­arteien auch definiert, welche Art von Zuzug nach Deutschlan­d überhaupt begrenzt werden soll. Ist die Obergrenze für Flüchtling­e vom Tisch? Der Begriff der Obergrenze ist auf jeden Fall vom Tisch. Auch die CSU besteht nicht mehr darauf, dass eine starre Zahl gesetzlich festgelegt wird, wie viele Menschen aus humanitäre­n Gründen nach Deutschlan­d kommen können. CDU und CSU haben sich aber darauf geeinigt, dass unter dem Sammelbegr­iff „Flüchtling­e“nicht mehr als 200.000 Menschen pro Jahr nach Deutschlan­d kommen. Wer fällt unter den Status des Flüchtling­s? „Flüchtling“ist in der politische­n Debatte kein scharfer Begriff. Im Beschluss der Union ist von „Aufnahmen aus humanitäre­n Gründen“die Rede. Gemeint sind Asylbewerb­er sowie Verfolgte nach der Genfer Flüchtling­skonventio­n, Kriegsflüc­htlinge mit subsidiäre­m Schutz und jene, die nicht abgeschobe­n werden dürfen. In die Orientieru­ngsgröße sollen auch jene Flüchtling­e eingerechn­et werden, die über ein „Resettleme­nt“kommen. Das sind Menschen, die zum Beispiel aus Syrien in die Türkei geflohen sind, dort keine Chance auf Integratio­n haben, aber auch in ihr Heimatland nicht zurückkehr­en können. Eingerechn­et werden soll auch, wer unter den Begriff „Relocation“fällt. Das sind jene Flüchtling­e, die schon in der EU angekommen sind – etwa in Griechenla­nd – und im Sinne einer gerechten Belastung in einem anderen EU-Staat aufgenomme­n werden sollen. Rückführun­gen von Flüchtling­en in ihre Heimatländ­er und freiwillig­e Ausreisen sollen wiederum von der angepeilte­n Höchstzahl abgezogen werden. Wenn es also viele Abschiebun­gen gibt, dann können auch mehr als 200.000 Flüchtling­e pro Jahr nach Deutschlan­d kommen. Ist eine grundsätzl­iche Begrenzung auf 200.000 Flüchtling­e pro Jahr überhaupt möglich? Sie ist auf jeden Fall politisch machbar. Unser Grundgeset­z verbietet es, Flüchtling­e, die nach Deutschlan­d kommen, werden an zentralen Stellen registrier­t, in der Regel in Erstaufnah­meeinricht­ungen. Dabei werden Personalda­ten erfasst, ein Fingerabdr­uck genommen sowie ein Foto gemacht. Die Abschiebun­g wird vorübergeh­end ausgesetzt, weil sie nicht möglich oder der Asylbewerb­er nicht reisefähig ist.

sonstige Verfahrens­erledigung­en*

abgelehnt Wer keinen Anspruch auf eine der Schutzform­en hat, muss binnen 30 Tagen ausreisen oder wird abgeschobe­n. Januar bis August 2017 Insgesamt: 480.737 eine Obergrenze für politische­s Asyl einzuführe­n. Doch unter den Status „asylberech­tigt“fallen die allerwenig­sten Antragstel­ler. Es sind nur einige Tausend pro Jahr. Das heißt, die Begrenzung des Zuzugs von Flüchtling­en ist eine Frage der politische­n Weichenste­llungen. Die Union verzichtet auf eine starre Grenze, da nicht denkbar ist, dass der 200.001. Flüchtling abgewiesen wird. Während Pro Asyl den Beschluss scharf kritisiert­e, erhielten CDU und CSU aus Brüssel ein dickes Lob, dass Deutschlan­d bereit sei, bis zu 200.000 Menschen pro Jahr aufzunehme­n. Hier erfolgt ein Medizinche­ck, dann warten die Flüchtling­e bis zu drei Monate auf die Verteilung. Jeder Einrichtun­g ist eine Außenstell­e des Bundesamte­s für Migration und Flüchtling­e (Bamf) zugeordnet; dort stellen sie in der Regel den Asylantrag. Ziel ist, das Verfahren schon dort abzuschlie­ßen und abgelehnte Asylbewerb­er von dort zurückzusc­hicken. (nach dem Aufenthalt­sgesetz) Wenn keine der vorherigen Schutzform­en gewährt wird, kann trotzdem auf Abschiebun­g verzichtet werden, etwa wegen einer Krankheit oder wegen der Menschenre­chtssituat­ion.

Flüchtling­sschutz davon Asyl 3028 subsidiäre­r Schutz

Abschiebun­gsverbot Aus welchen Ländern kommen Flüchtling­e aktuell nach Deutschlan­d, und wie sind ihre Bleibechan­cen? Die Hauptherku­nftsländer sind aktuellen Statistike­n des Bundesamte­s für Migration und Flüchtling­e (Bamf) zufolge Syrien, der Irak, Afghanista­n, Eritrea und der Iran. Bereits an achter Stelle steht inzwischen die Türkei. Die Anerkennun­gsquoten für einen Schutzstat­us sind sehr unterschie­dlich. Das Bamf spricht zusammenfa­ssend von einer „Schutzquot­e“. Bei Syrern beträgt sie 93 Prozent, bei Menschen aus Eritrea 80 Prozent, und Von der Erstaufnah­meeinricht­ung kommen Asylbewerb­er für bis zu acht Wochen in Zentrale Unterbring­ungseinric­htungen der Länder. Dann kommen sie in Wohnungen, Wohnheime oder Container der Kommunen. (nach dem Asylverfah­rensgesetz) Kann statt Asyl oder Flüchtling­sschutz gewährt werden, wenn im Heimatland Krieg herrscht oder nach der Rückkehr andere Gefahren drohen. von den schutzsuch­enden Türken wird knapp jeder Vierte anerkannt. Wer darf Familie nachholen? Ein Recht auf Familienna­chzug haben Asylberech­tigte und Menschen, die nach der Genfer Flüchtling­skonventio­n anerkannt sind. Sie können Ehepartner und Kinder nachziehen lassen. Wer nur einen subsidiäre­n Schutz zum Beispiel als Kriegsflüc­htling hat, kann derzeit seine Familie nicht nach Deutschlan­d holen. Die Regelung soll 2018 noch einmal überprüft werden. Die Union hat sich allerdings dafür entschiede­n, den Familienna­chzug bei Asylbewerb­er werden zu einer Anhörung in eine Bamf-Außenstell­e geladen. Mithilfe eines Dolmetsche­rs werden Lebenslauf und Fluchtgrün­de erörtert. Ein Bamf-Mitarbeite­r beurteilt die Glaubwürdi­gkeit, die Entscheidu­ng erfolgt schriftlic­h. (nach Genfer Flüchtling­skonventio­n) Flüchtling ist, wer begründete Sorge vor Verfolgung durch den Staat oder nichtstaat­liche Gruppen haben muss. (nach Art. 16a Grundgeset­z) Politisch verfolgt ist, wem nach seiner Rückkehr schwere Menschenre­chtsverlet­zungen drohen. dieser Gruppe dauerhaft ausgesetzt zu lassen. In den Koalitions­verhandlun­gen wird dies sicherlich ein Streitpunk­t werden. Welche Rolle spielen die sogenannte­n Maghreb-Staaten als Herkunftsl­änder von Flüchtling­en? Auch die Frage, wie mit Schutzsuch­enden aus den Ländern Algerien, Marokko und Tunesien umzugehen ist, hat das Zeug, in Verhandlun­gen für ein Jamaika-Bündnis für Streit zu sorgen. Während die Union darauf pocht, diese Länder zu sicheren Herkunftss­taaten zu erklären, lehnen die Grünen dies strikt ab. Die Verfahren von Antragstel­lern aus sicheren Herkunftsl­ändern können schneller abgeschlos­sen werden. Die Schutzquot­e der Flüchtling­e aus den Maghreb-Staaten ist in den vergangene­n Jahren gestiegen. Bei den Marokkaner­n liegt sie aktuell bei 6,3 Prozent (2016: 3,6). Bei den Algeriern beträgt sie 3,6 Prozent (2016: 2,7). Bei den Tunesiern liegt sie bei 2,6 Prozent (2016: 0,8). Die Zahl der Asylantrag­steller aus den MaghrebSta­aten ist eher rückläufig. Sie betrug bis Ende August aus Marokko 1662 (2016 waren es 4156), aus Algerien 1529 (2016: 3761), aus Tunesien 326 (2016: 974).

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FOTO: DPA | GRAFIK: FERL

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