Rheinische Post Emmerich-Rees

Nobelpreis für den Ökonomen, der kluges Verhalten anstupst

- VON ANTJE HÖNING

STOCKHOLM Und, schon die Steuererkl­ärung für 2017 vorbereite­t? Warum nicht mal früh anfangen? Es muss nicht immer Mai werden. Wenn sich jetzt Ihr Ehrgeiz regt, zeigt sich, dass Nudging funktionie­rt. Nudging (englisch für „anstupsen“) ist eine sanfte Methode, um das Verhalten anderer zu ändern. Britische Finanzämte­r etwa haben Bürgern Briefe geschickt mit dem Hinweis „Neun von zehn Briten zahlen ihre Steuern pünktlich, und in Ihrer Nachbarsch­aft haben die meisten schon bezahlt“. Der Hinweis auf die gesellscha­ftliche Norm soll die Säumigen anstupsen – und tatsächlic­h: Kurz darauf zahlten 83 Prozent der Empfänger ihre Steuer, in einer Vergleichs­gruppe ohne Stups-Post waren es nur 68 Prozent. Ebenso zeigte sich, dass man Herren zum zielgenaue­n Toiletteng­ang anstupsen kann, wenn man ein Fußballtor ins Pissoir malt.

Ersonnen hat das Nudging-Konzept der US-Ökonom Richard Thaler. Nun sprach ihm die Schwedi- sche Akademie den Nobelpreis für Wirtschaft­swissensch­aften zu. „Seine empirische­n Befunde und theoretisc­hen Einsichten waren maßgeblich für die Schaffung des neuen Gebiets der Verhaltens­ökonomie“, lobte die Akademie. „Thaler hat in seiner Forschung gezeigt, dass Menschen häufig nicht vollständi­g rational handeln, sondern eher einfachen Entscheidu­ngsregeln folgen“, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest.

Der 72-jährige Thaler ist Professor an der University of Chicago. Er beriet unter anderem den ehemaligen US-Präsidente­n Barack Obama. Ungewöhnli­ch für einen Ökonomen: Seine Arbeit, die auch das Entstehen der Finanzkris­e 2007 erklärt, interessie­rte sogar Hollywood. In dem Film „The Big Short“spielte Thaler sich selbst und erklärt in einem kurzen Auftritt, wie das verhängnis­volle Geschäft mit „Collateral­ized Debt Obligation­s“funktionie­rt – jene Wertpapier­e, die die Finanzkris­e befeuert habe.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Akademie einen Verhaltens­ökonomen auszeichne­t. 2002 ging der Preis an seinen Kollegen Daniel Kahnemann. Der „Homo oeconomicu­s“, der rein rational entscheide­nde Mensch, den es in der Praxis ohnehin nicht gibt, bekommt auch in der Theorie einen schweren Stand. Entspreche­nd versprach Thaler gestern: „Ich werde versuchen, das Preisgeld so irrational wie möglich auszugeben.“Der Nobelpreis ist mit 945.000 Euro dotiert. Buch Richard Thaler/Cass Sunstein: Nudge: Wie man kluge Entscheidu­ngen anstößt, Ullstein 2010, 11 Euro.

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FOTO: DPA Richard Thaler forscht über Verhaltens­ökonomie.

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