Rheinische Post Emmerich-Rees

Hannes Wader verabschie­det sich

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Natürlich hat Hannes Wader, der Sänger der Arbeiterkl­asse, für seinen letzten Auftritt im Ruhrgebiet eine Hütte und keinen Palast gewählt: Fast 2500 Menschen strömen nach Einbruch der Dunkelheit in die seit langem ausverkauf­te Emscher-Lippe-Halle in Gelsenkirc­hen, wo man sonst Eislaufen geht. Einige tragen rote Schals und Schiebermü­tzen über grauen Haaren. Dazwischen mischen sich junge Menschen, die sich vielleicht die Zeit zurücksehn­en, als man das noch ganz unironisch sein konnte: Protestsän­ger.

Es sind allerdings viele weitere Facetten eines in mehr als 50 Jahren entwickelt­en Werks, das Hannes Wader an diesem von leiser Wehmut durchzogen­en Abend zeigt. Er ist auch charmanter Chansonnie­r, Poet und Humorist, beherrscht den Talking Blues wie das traditione­lle Volkslied. Jeden Song bettet der 75Jährige in die Erzählung seines Lebens ein: Er erinnert daran, wie Reinhard Mey einen seiner ersten Songs auf Französisc­h übersetzte. Oder wie Karl Dall ihm einst Tipps gab, um Frauen in Ostdeutsch­land rumzukrieg­en – mit West-Strumpfhos­en mit verstärkte­r Ferse. Mit neuen Liedern wie „Wo ich herkomme“verortet sich Wader in der Arbeiterkl­asse: „Auch, wenn ihr mir manchmal auf den Senkel geht, komme ich doch immer zu euch zurück.“Dieses Mal könne er jedoch nicht sagen: „Bis zum nächsten Mal.“Es ist ihm ernst mit dem Abschied vom Tourleben, weil er deutlicher als je zuvor das Älterwerde­n spürt. Deshalb fließen auch Tränen, als er zuletzt das bekanntest­e Friedensli­ed der Welt singt: „Sag mir, wo die Blumen sind“. Ein Trost: Neue Lieder will er weiter machen.

Max Florian Kühlem

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