Heynckes will bei den Bayern aufräumen
In seiner vierten Amtszeit als Trainer soll der 72-Jährige bekannte Unruheherde in München befrieden. Die Chefetage gelobt ein Ende der Differenzen. Ex-Torhüter Jörg Butt sieht in Heynckes den richtigen Mann am richtigen Ort.
DÜSSELDORF/MÜNCHEN Der Blutdruck stand am Freitag noch bei 120 zu 70, der Ruhepuls lag bei 60. Doch gestern schossen die Werte bei Jupp Heynckes gleich wieder ordentlich in die Höhe. Voller Tatendrang, Adrenalin und Optimismus kehrte der 72-Jährige nach mehr als vier Jahren im Ruhestand auf die große Fußball-Bühne zurück. Dass er der schwierigen Mission bei Bayern München wegen seines fortgeschrittenen Alters nicht gewachsen sein könnte, schloss der rüstige „Rentner“bei seiner Vorstellung in der Allianz-Arena vehement aus. „Andere sind mit 45 schon alt, andere mit 70 noch jung. Dazu zähle ich mich. Ich bin körperlich fit, der Geist macht mit“, betonte Heynckes. Dies habe ihm sein Internist erst vor wenigen Tagen bestätigt.
Nachdem er nach dem Triple-Triumph 2013 die Zeit mit seiner Frau Iris und die Spaziergänge mit Hund Cando genossen hatte, hat Heynckes die Lust am Fußball wieder gepackt. Die Lust daran, einen FC Bayern aus der (Sinn)Krise wieder in die Erfolgsspur zu führen. „Ich hatte mich total zurückgezogen. Ich habe auch nichts vermisst. Aber die Aufgabe reizt mich und freut mich in- zwischen auch, weil ich eigentlich nicht mehr wollte“, sagte er über seinen „Freundschaftsdienst“für Präsident Uli Hoeneß.
Der und Vorstandschef KarlHeinz Rummenigge sprachen in zuletzt seltener Einigkeit von der „idealen Lösung“in der aktuell schwierigen Lage und gelobten im Zuge der Vorstellung sogar, ihre Dissonanzen beizulegen. „Wir werden auch in unserer Zusammenarbeit ein neues Kapitel aufschlagen, das kann dem FC Bayern nur guttun“, sagte Hoeneß. Man habe von außen betrachtet durchaus „zum Ent- schluss kommen können, dass es Unebenheiten gegeben hat. Das kam in den letzten zehn Jahren immer wieder vor. Jetzt wurde es aber zu sehr in der Öffentlichkeit ausgetragen, den Schuh ziehe ich mir an“, räumte der Präsident ein.
Wer ab Samstag beim Heimspiel gegen Freiburg den gesetzten Trainer-Opa Heynckes auf der BayernBank erwartet, dürfte sich getäuscht haben. Heynckes fürchtet vor seinem 1012. Einsatz als Spieler oder Trainer in der Bundesliga zwar nicht um seinen legendären Ruf („Es geht nicht um mich, ich habe keine persönlichen Ambitionen“), er hat aber auch nicht vor, diesen vorzüglichen Ruf beschädigen zu lassen.
„Ich habe einen ganz klaren Plan und weiß, wie ich das anpacken muss“, unterstrich er wiederholt. Seine Aufgabe sei es, „die Situation zu entkrampfen, zu entschleunigen, zu beruhigen. Ich bin zuversichtlich, dass die Mannschaft, die Klasse hat, wieder ein anderes Gesicht zeigen wird. Ich bin überzeugt, dass mir das gelingen wird.“Auch wenn es viele Skeptiker gebe, die sagen würden, „dass ich vier Jahre raus bin: Ich weiß, wie der Fußball funktioniert und wo ich ansetzen muss.“
Dass er die Fähigkeiten besitzt, einen kriselnden FC Bayern wieder in die Spur zu führen, hat Heynckes bereits 2009 bewiesen. Damals kam der Coach für fünf Spiele zurück und rettete die Qualifikation für die Champions League. Im Bayern-Tor stand zu dieser Zeit Jörg Butt. „Heynckes hat durch seine Ausstrahlung, seine Art und seine einfachen Ansprachen Ruhe reingebracht“, sagt der Torhüter im Gespräch mit unserer Redaktion. Für den 43-Jährigen, der heute eine Firma für Auffahrrampen in Norddeutschland führt, ist deshalb klar, dass Heynckes der richtige Mann am richtigen Ort ist. Auch wenn er taktisch in so kurzer Zeit sicher nicht viel verändern könne. „Fußball spielen können sie alle. Es kommt darauf an, die Spieler emotional mitzunehmen. Und das versteht Jupp Heynckes sehr gut“, sagt Butt, der davon berichtet, wie Don Jupp 2009 auch sonntags mit den Ersatzspielern auf dem Trainingsplatz stand und Einzelgespräche führte. „Jeder hatte das Gefühl, dass er gebraucht wird und wichtig ist. Bei 20 Nationalspielern hat jeder den Anspruch zu spielen. Es braucht ein gutes Händchen, alle bei Laune zu halten. Und dieses Händchen hat er.“
Neun Spieler kennt Heynckes noch aus der Triple-Saison bestens. Es sei „wichtig, eine ganz klare Hierarchie zu installieren und den Spielern das Vertrauen in ihre Möglichkeiten zu geben“. Als Spitze gegen den entlassenen Carlo Ancelotti wollte er dies ausdrücklich nicht verstanden wissen.
Und wie geht es nach dem Saisonende weiter auf Bayerns Trainerbank? Die Münchner Bosse wollten keinerlei Einlassungen zu den vielen Gerüchten um Julian Nagelsmann, Thomas Tuchel oder Joachim Löw geben. Nur eines könne er klar sagen, so Rummenigge, „dass wir 2017 nicht verkünden werden, was am 1.7.2018 passiert. Da werden wir uns viel Zeit lassen.“