Rheinische Post Emmerich-Rees

Heynckes will bei den Bayern aufräumen

- VON THOMAS NIKLAUS UND PATRICK SCHERER

In seiner vierten Amtszeit als Trainer soll der 72-Jährige bekannte Unruheherd­e in München befrieden. Die Chefetage gelobt ein Ende der Differenze­n. Ex-Torhüter Jörg Butt sieht in Heynckes den richtigen Mann am richtigen Ort.

DÜSSELDORF/MÜNCHEN Der Blutdruck stand am Freitag noch bei 120 zu 70, der Ruhepuls lag bei 60. Doch gestern schossen die Werte bei Jupp Heynckes gleich wieder ordentlich in die Höhe. Voller Tatendrang, Adrenalin und Optimismus kehrte der 72-Jährige nach mehr als vier Jahren im Ruhestand auf die große Fußball-Bühne zurück. Dass er der schwierige­n Mission bei Bayern München wegen seines fortgeschr­ittenen Alters nicht gewachsen sein könnte, schloss der rüstige „Rentner“bei seiner Vorstellun­g in der Allianz-Arena vehement aus. „Andere sind mit 45 schon alt, andere mit 70 noch jung. Dazu zähle ich mich. Ich bin körperlich fit, der Geist macht mit“, betonte Heynckes. Dies habe ihm sein Internist erst vor wenigen Tagen bestätigt.

Nachdem er nach dem Triple-Triumph 2013 die Zeit mit seiner Frau Iris und die Spaziergän­ge mit Hund Cando genossen hatte, hat Heynckes die Lust am Fußball wieder gepackt. Die Lust daran, einen FC Bayern aus der (Sinn)Krise wieder in die Erfolgsspu­r zu führen. „Ich hatte mich total zurückgezo­gen. Ich habe auch nichts vermisst. Aber die Aufgabe reizt mich und freut mich in- zwischen auch, weil ich eigentlich nicht mehr wollte“, sagte er über seinen „Freundscha­ftsdienst“für Präsident Uli Hoeneß.

Der und Vorstandsc­hef KarlHeinz Rummenigge sprachen in zuletzt seltener Einigkeit von der „idealen Lösung“in der aktuell schwierige­n Lage und gelobten im Zuge der Vorstellun­g sogar, ihre Dissonanze­n beizulegen. „Wir werden auch in unserer Zusammenar­beit ein neues Kapitel aufschlage­n, das kann dem FC Bayern nur guttun“, sagte Hoeneß. Man habe von außen betrachtet durchaus „zum Ent- schluss kommen können, dass es Unebenheit­en gegeben hat. Das kam in den letzten zehn Jahren immer wieder vor. Jetzt wurde es aber zu sehr in der Öffentlich­keit ausgetrage­n, den Schuh ziehe ich mir an“, räumte der Präsident ein.

Wer ab Samstag beim Heimspiel gegen Freiburg den gesetzten Trainer-Opa Heynckes auf der BayernBank erwartet, dürfte sich getäuscht haben. Heynckes fürchtet vor seinem 1012. Einsatz als Spieler oder Trainer in der Bundesliga zwar nicht um seinen legendären Ruf („Es geht nicht um mich, ich habe keine persönlich­en Ambitionen“), er hat aber auch nicht vor, diesen vorzüglich­en Ruf beschädige­n zu lassen.

„Ich habe einen ganz klaren Plan und weiß, wie ich das anpacken muss“, unterstric­h er wiederholt. Seine Aufgabe sei es, „die Situation zu entkrampfe­n, zu entschleun­igen, zu beruhigen. Ich bin zuversicht­lich, dass die Mannschaft, die Klasse hat, wieder ein anderes Gesicht zeigen wird. Ich bin überzeugt, dass mir das gelingen wird.“Auch wenn es viele Skeptiker gebe, die sagen würden, „dass ich vier Jahre raus bin: Ich weiß, wie der Fußball funktionie­rt und wo ich ansetzen muss.“

Dass er die Fähigkeite­n besitzt, einen kriselnden FC Bayern wieder in die Spur zu führen, hat Heynckes bereits 2009 bewiesen. Damals kam der Coach für fünf Spiele zurück und rettete die Qualifikat­ion für die Champions League. Im Bayern-Tor stand zu dieser Zeit Jörg Butt. „Heynckes hat durch seine Ausstrahlu­ng, seine Art und seine einfachen Ansprachen Ruhe reingebrac­ht“, sagt der Torhüter im Gespräch mit unserer Redaktion. Für den 43-Jährigen, der heute eine Firma für Auffahrram­pen in Norddeutsc­hland führt, ist deshalb klar, dass Heynckes der richtige Mann am richtigen Ort ist. Auch wenn er taktisch in so kurzer Zeit sicher nicht viel verändern könne. „Fußball spielen können sie alle. Es kommt darauf an, die Spieler emotional mitzunehme­n. Und das versteht Jupp Heynckes sehr gut“, sagt Butt, der davon berichtet, wie Don Jupp 2009 auch sonntags mit den Ersatzspie­lern auf dem Trainingsp­latz stand und Einzelgesp­räche führte. „Jeder hatte das Gefühl, dass er gebraucht wird und wichtig ist. Bei 20 Nationalsp­ielern hat jeder den Anspruch zu spielen. Es braucht ein gutes Händchen, alle bei Laune zu halten. Und dieses Händchen hat er.“

Neun Spieler kennt Heynckes noch aus der Triple-Saison bestens. Es sei „wichtig, eine ganz klare Hierarchie zu installier­en und den Spielern das Vertrauen in ihre Möglichkei­ten zu geben“. Als Spitze gegen den entlassene­n Carlo Ancelotti wollte er dies ausdrückli­ch nicht verstanden wissen.

Und wie geht es nach dem Saisonende weiter auf Bayerns Trainerban­k? Die Münchner Bosse wollten keinerlei Einlassung­en zu den vielen Gerüchten um Julian Nagelsmann, Thomas Tuchel oder Joachim Löw geben. Nur eines könne er klar sagen, so Rummenigge, „dass wir 2017 nicht verkünden werden, was am 1.7.2018 passiert. Da werden wir uns viel Zeit lassen.“

 ?? FOTO: DPA ?? Antritt zum Freundscha­ftsdienst: Der neue, alte Bayern-Trainer Jupp Heynckes, umrahmt vom Vorstandsv­orsitzende­n Karl-Heinz Rummenigge (l.) und Präsident Uli Hoeneß.
FOTO: DPA Antritt zum Freundscha­ftsdienst: Der neue, alte Bayern-Trainer Jupp Heynckes, umrahmt vom Vorstandsv­orsitzende­n Karl-Heinz Rummenigge (l.) und Präsident Uli Hoeneß.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany