Rheinische Post Emmerich-Rees

Kölner Stadtarchi­v-Prozess gefährdet

- VON JÖRG ISRINGHAUS UND MAXIMILIAN PLÜCK

Das entscheide­nde Gutachten zur Einsturzur­sache des Kölner Stadtarchi­vs liegt wohl erst 2020 vor. Bis März 2019 muss aber ein Urteil im Strafverfa­hren fallen. Die Vorzeichen dafür sind ungünstig.

KÖLN Für das Strafverfa­hren zum Einsturz des Kölner Stadtarchi­vs haben sich die Rahmenbedi­ngungen gravierend geändert. Denn das unabhängig­e Gutachten des Sachverstä­ndigen Hans-Georg Kempfert, das eigentlich für den Sommer 2018 angekündig­t war, verzögert sich möglicherw­eise bis 2020. Dies bestätigte das zuständige Kölner Landgerich­t gestern auf Anfrage. Kempfert ist zwar der Gutachter des Zivilverfa­hrens, aber auf seinen Rohdaten beruhen auch die Gutachten der Staatsanwa­ltschaft.

Das Strafverfa­hren soll im Januar 2018 eröffnet werden. Ein genauer Termin steht noch nicht fest. Das Urteil muss jedoch bis März 2019 gesprochen werden – dann greift die zehnjährig­e Verjährung­sfrist. Das Kempfert-Gutachten liegt bis dahin wahrschein­lich nicht vor. Dies hänge, so das Landgerich­t, „von dem weiteren Fortschrit­t der Beweiserku­ndungen ab“.

Beim Einsturz des Kölner Stadtarchi­vs am 3. März 2009 starben zwei Menschen. Es entstand ein Sach- schaden von rund 1,2 Milliarden Euro. Als mögliche Ursache für den Einsturz gilt Pfusch beim Bau einer neuen U-Bahn-Linie. So soll Erdreich durch ein Loch in einer Schlitzwan­d gespült worden sein, so dass dem Stadtarchi­v der Boden entzogen wurde. Dies entspricht auch der Einschätzu­ng der Staatsanwa­ltschaft. Die Baufirmen dagegen halten einen hydraulisc­hen Grundbruch für möglich, eine natürliche Ursache, bei der Wasser und Erdreich durch die Bausohle in die Baugrube gedrungen sind.

Das Strafverfa­hren richtet sich gegen sieben Angeklagte, denen fahrlässig­e Tötung und Baugefährd­ung vorgeworfe­n werden. Dabei handelt es sich um fünf Mitarbeite­r der Arbeitsgem­einschaft der am Bau beteiligte­n Unternehme­n (Arge) sowie zwei Mitarbeite­r der Kölner Verkehrs-Betriebe. Einer der Angeklagte­n ist mittlerwei­le gestorben, ein anderer soll so schwer erkrankt sein, dass seine Teilnahme am Prozess fraglich ist.

Wie sich die Verzögerun­g des Gutachtens auswirkt, ist noch unklar. Das wollte der Sprecher des Kölner Landgerich­ts gestern nicht kom- mentieren. Möglicherw­eise muss sich das Gericht im Verfahren auf entspreche­nde Beweisantr­äge der Verteidigu­ng einstellen.

Dass das Kempfert-Gutachten wohl nicht vor 2020 vorliege, müsse das Gericht bewerten, sagte Markus Lempa, Sprecher der Arge, zu der etwa die Konzerne Bilfinger, Züblin und Wayss & Freitag gehören. An Spekulatio­nen zu laufenden Verfahren werde sich die Arge aber nicht beteiligen. „Diese neuen Angaben bestätigen aus unserer Sicht aber, dass wir noch weit davon entfernt sind, einen zweifelsfr­eien Beweis für die Unglücksur­sache zu haben“, sagte Lempa weiter.

Bei der zivilrecht­lichen Aufarbeitu­ng des Unglücks gibt es neben dem Beweisverf­ahren zur Unglücksur­sache noch ein weiteres, bei dem die Schadenshö­he festgesetz­t werden soll. Ein vom Landgerich­t Köln beauftragt­er Gutachter muss dabei insbesonde­re die Kosten für die Bewertung der beschädigt­en und zerstörten Archivgüte­r beziffern.

Auch dieses Gutachten ist noch nicht fertig, wird nach Angaben einer Gerichtssp­recherin aber für das kommende Jahr erwartet. Erst nach Abschluss der beiden selbststän­digen Beweisverf­ahren, die selbst nicht zu einem Urteil führen, dürfte es zu einer Hauptverha­ndlung kommen. Wegen der sich nun abzeichnen­den Verzögerun­g beim Kempfert-Gutachten dürfte auch der Schadeners­atzprozess damit erst deutlich später beginnen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany