Rheinische Post Emmerich-Rees

Küss die Hand, Koalitions­partnerin

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Wer dachte, der Handkuss sei aus der Mode gekommen, der hat die jüngsten Annäherung­sversuche zwischen FDP und Grünen verpasst. Als sich FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki und Grünen-Fraktionsc­hefin Katrin Göring-Eckardt kurz nach der Bundestags­wahl begegneten, begrüßte er sie mit Handkuss.

Manchmal hilft ja ein Blick ins Lexikon, um zu verstehen, was so um einen herum passiert. Der Handkuss zwischen Mann und Frau dient unter anderem dazu, Respekt, Unterwürfi­gkeit oder Liebe zum Ausdruck zu bringen. Nun dürften im Fall des Liberalen und der Grünen die beiden letztgenan­nten Anlässe eher nicht zutreffen.

Wollte Kubicki also tatsächlic­h gegenüber Göring-Eckardt seinen Respekt bezeugen? Kennt man Kubickis Sinn für Ironie und mitunter groben Humor, dann kann man zumindest nicht sicher sein, wie ernst er nun den Handkuss meinte. Und vor dem Hintergrun­d, dass die FDP im Wahlkampf keine Gelegenhei­t ausgelasse­n hat, Göring-Eckardt wenig schmeichel­haft als MoralApost­el der Nation darzustell­en, gehört zu einer Kehrtwende, wie sie

Wie geht man miteinande­r um, wenn man gemeinsam regieren muss, nachdem man sich im Wahlkampf arg beschimpft hat? Der Handkuss taugt schon mal nicht als Eisbrecher.

Kubicki mit dem Handkuss hingelegt hat, reichlich Chuzpe.

Auf der anderen Seite: GöringEcka­rdt mag zwar fromm sein und sich für den Weltfriede­n einsetzen, wenn es aber ums politische Geschäft geht, kann sie mindestens genauso gut austeilen wie Kubicki. Und deshalb will der FDP-Mann der Grünen nun auch keine Handküsse mehr zukommen lassen. „Wir werden eine andere Art finden, uns zu begrüßen“, sagte Kubicki am Sonn- tagabend bei „Anne Will“im ARDTalk. Er warf ihr vor, sie habe nach dem Handkuss gelästert, das sei „letztes Jahrhunder­t und MachoGehab­e“. Göring-Eckardt wiederum bestritt dies und verwies auf ihre Kindheit und Jugend als Tochter von Inhabern einer Tanzschule. Über den richtigen Benimm und dessen Kommentier­ung bekamen sich der Liberale und die Grüne so in die Wolle, dass sich Hessens Ministerpr­äsident Volker Bouffier berufen fühlte zu mahnen: „Also, jetzt seid nett miteinande­r.“Das hat dann in der Sendung nicht mehr geklappt.

Die Erkenntnis aber bleibt, dass es unter den möglichen Berliner Jamaikaner­n sogar schwierig ist, locker miteinande­r umzugehen. Fürs gemeinsame Regieren hilft es schon, wenn es trotz aller fachlichen Unterschie­de auf der persönlich­en Ebene funktionie­rt. So konnten in der alten Koalition beispielsw­eise Arbeitsmin­isterin Andrea Nahles und Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble gut miteinande­r. Sie gehörte zu den wenigen, die ihn im Rollstuhl schieben durften. Handküsse gab es nie.

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