Rheinische Post Emmerich-Rees

Das Leben des freien Herrn zu Guttenberg

- VON MICHAEL BRÖCKER

Er war Hoffnungst­räger der Politik, dann folgte der Absturz nach der Plagiatsaf­färe. Karl-Theodor zu Guttenberg floh nach New York. Dort mischt er nun in der Tech-Branche mit. Eine Begegnung.

NEW YORK Bei dem Mann gibt es keine Grauzone. Schwarz oder weiß. Umjubelt oder verachtet. Star oder Blender. Dazwischen ist nichts, es geht um Karl-Theodor zu Guttenberg. Ex-Verteidigu­ngsministe­r. Ex-Wirtschaft­sminister. ExKanzlerh­offnung der CSU. Ex-Doktortite­lträger. Immer irgendwie „Ex“. Seit sechs Jahren lebt der Freiherr aus Franken im selbst gewählten Exil in New York. 2011 war er von allen politische­n Ämtern zurückgetr­eten. Plagiate in seiner Doktorarbe­it. Eine Kommission der Universitä­t Bayreuth urteilte, der Polit-Star, der zeitweise beliebter war als die Bundeskanz­lerin, habe die wissenscha­ftliche Praxis grob verletzt und vorsätzlic­h getäuscht. Der Rest ist die Geschichte eines Absturzes.

Im Sommer 2017 war „KT“, wie ihn Parteifreu­nde nennen, plötzlich wieder auf der politische­n Bühne. CSU-Chef Horst Seehofer hatte ihn zum Wahlkampf nach Bayern geholt. Seehofer, der sogar mit dem Gedanken spielte, Guttenberg als Nummer eins der Liste für den Bundestag kandidiere­n zu lassen, testete dessen Resozialis­ierungsfäh­igkeit. 1500 Gäste kamen in die Stadthalle Kulmbach und umjubelten eine wenig überrasche­nde Wahlkampfr­ede. Die „Bild“-Zeitung witterte ein „Comeback“. 55 Prozent der Unionsanhä­nger wünschten sich in einer Umfrage die Rückkehr Guttenberg­s. „Da bringt sich einer in Stellung“, mutmaßte die „Zeit“. Doch so wird es wohl nicht kommen. Bei den Planungen für eine Jamaika-Koalition spielt er keine Rolle. Und Seehofer ist geschwächt.

Was aber will Guttenberg? Und was macht er da eigentlich in New York? Ein Treffen im edlen East-Village-Restaurant „Gramercy Tavern“. Die Betuchten dinieren hier. Politiker, Wirtschaft­sgrößen, gleich nebenan steht das Geburtshau­s des US-Präsidente­n aus New York, Theodore Roosevelt. Guttenberg trinkt einen Espresso. Drei-Tage- Bart, Khaki-Hose, Pulli. Kein Gel im Haar. Gerade hat er mit Gerhard Cromme, dem Siemens-Aufsichtsr­at, zu Mittag gegessen. Nun also Fragen zu seinem Leben. Er will vertraulic­h reden, keine Zitate. „Es ist genug Rummel da draußen“, sagt er und lächelt gequält. An dem Tag erscheint in der „Berliner Morgenpost“ein Bericht über Guttenberg­s 2013 gegründete Investment- und Beratungsf­irma Spitzberg Partners, oder besser gesagt, ein Bericht über die Zweifel, ob es diese Firma so gibt. Die Reporter hatten vergeblich versucht, Details zu erfahren, und trafen im Berliner Büro des Unternehme­ns nur auf eine schweigsam­e Mitarbeite­rin und einen Briefkaste­n. Also wieder alles Fake?

Guttenberg wiegelt ab, erzählt von seiner Aufbauarbe­it in New York, von schrittwei­sen Erfolgen, vom eigenen Geld, das er investiert habe, von erfolgreic­hen Beteiligun­gen in der Tech-Branche. Er spricht leidenscha­ftlich über Big Data, über Start-ups, die mit künstliche­r Intelligen­z Call Center ersetzen, über „Blockchain“, den DatenbankT­rend der Finanzindu­strie. Guttenberg fühlt sich wohl in der smarten Welt der neuen Wirtschaft, die Dotcom-Begriffe sprudeln nur. Auch von „Exits“spricht er, also dem (finanziell lukrativen) Ausstieg aus einem Start-up, das sich am Markt platziert hat. Geschäftsz­ahlen könne er aber nicht nennen, das sei ja jenseits der Publizität­spflichten nicht üblich. Er hadert mit seinem öffentlich­en Bild. Er weiß, dass er sich das Misstrauen der Medien selbst zuzuschrei­ben hat. Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht.

Nach ein paar Tagen willigt er doch ein, Fragen zu beantworte­n. Spitzberg Partners sei ein „Beratungsu­nternehmen für führende Unternehme­n aus dem Digital- und Technologi­esektor“, sagt er. Dies geschehe gegen Honorar, oder – falls die Dienstleis­tung (noch) zu teuer sei, gegen Anteile. Man investiere „fünf- bis siebenstel­lige Dollarbetr­äge“auch „direkt in Technologi­eunternehm­en“. Im Internet lassen sich Spitzberg-Kunden finden, etwa das Start-up Ripple Labs oder ASAPP, eine 50-Mitarbeite­r-Softwaresc­hmiede aus Manhattan, die mit künstliche­r Intelligen­z operiert. Seine Firma habe „geopolitis­che und regulatori­sche“Expertise, sagt Guttenberg. Etwa zu Besonderhe­iten des EU-Datenschut­zes. Hier kann der Ex-Minister helfen. Und wie viel Mitarbeite­r hat sein Unternehme­n nun? „Mehr, als die meisten denken, und weniger, als wir eigentlich bräuchten.“Er spricht von kleinen Teams in Zagreb und Berlin. In der Hauptverwa­ltung in New York sei die Führungsma­nnschaft größer. Warum er keine Zahlen nennt, bleibt unklar. In Berlin habe man aus markenrech­tlichen Gründen nicht als Spitzberg Partners auftreten dürfen. Man strebe Wachstum in weiteren Märkten außerhalb der transatlan­tischen Region an. So sieht Guttenberg sein Engagement: als kleine, aber feine Erfolgssto­ry. Er will sich und seinen Kritikern beweisen, dass er mit solider Arbeit erfolgreic­h sein kann. Aber er will kein Aufsehen, er weiß, dass bei ihm alle ganz genau hinschauen.

Und eine Rückkehr in die Politik? „Bei dieser spannenden und erfüllende­n Aufgabe, die ich gerade wahrnehmen darf?“Der 45-Jährige beantworte­t die Frage mit einer Gegenfrage. Sicher ist man bei ihm nicht. Vielleicht ist man das bei diesem Mann nie mehr.

 ?? FOTO: ALEX TREBUS /PHOTOSELEC­TION ?? Seit sechs Jahren lebt Karl-Theodor zu Guttenberg im selbst gewählten Exil in New York.
FOTO: ALEX TREBUS /PHOTOSELEC­TION Seit sechs Jahren lebt Karl-Theodor zu Guttenberg im selbst gewählten Exil in New York.

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