Rheinische Post Emmerich-Rees

Frischer Kredit rettet Gardeur

- VON JAN SCHNETTLER, FLORIAN RINKE UND DAGMAR HAAS-PILWAT

Der Gladbacher Hosenherst­eller kämpft um eine Zukunft nach der Insolvenz. Gestern gelang ein dringend benötigter erster Befreiungs­schlag.

MÖNCHENGLA­DBACH Der Befreiungs­schlag war fest eingeplant. Sogar eine Pressemitt­eilung hatten sie in Mönchengla­dbach schon vorbereite­t. Überschrif­t: „Gardeur Gruppe bekommt neuen Eigentümer“. Doch dann entwickelt­e sich dieser Donnerstag­abend Ende September anders als gedacht.

Gegen 21 Uhr stand fest, dass die Verhandlun­gen, die der traditions­reiche Mönchengla­dbacher Hosenherst­eller mit einem potenziell­en strategisc­hen Investor geführt hatte, gescheiter­t waren. Und das, obwohl man sich laut Gardeur-Chef Gerhard Kränzle sogar schon auf einen Kaufpreis geeinigt hatte – und das Geld dringend brauchte. Denn die September-Gehälter hatten die nach eigenen Angaben rund 2000 Mitarbeite­r bereits nicht mehr ausgezahlt bekommen.

Ein Jahr hatte Gardeur da bereits nach einem Investor gesucht. Statt Aufbruchss­timmung herrschte Ernüchteru­ng – und Kränzle zog die Reißleine. Am 5. Oktober meldete das Unternehme­n Insolvenz an.

Knapp zwei Wochen sind seitdem vergangen. Und der Blick geht nach vorn. Gestern konnte Gardeur mit einem Bankenkons­ortium einen zweiten Massekredi­t abschließe­n, mit dem das operative Geschäft am Laufen gehalten werden soll. Massekredi­te können Unternehme­n im Insolvenzv­erfahren beantragen. „Wir werden nun umgehend Lagerware und Ganzjahres­ware abrufen, die bereits fertig produziert ist“, heißt es bei Gardeur. Man werde dadurch auch die Frühjahrs- und Sommerkoll­ektion bedienen können, die üblicherwe­ise bereits zwischen Dezember und Januar ausgeliefe­rt wird.

Bis Ende November, wenn die vorläufige Insolvenzp­hase endet, soll nun ein neuer Investor gefunden sein, da zeigt sich Insolvenzv­erwalter Biner Bähr optimistis­ch – und ohne einen solchen „wird es auch nicht gehen“. Die internatio­nale Ausschreib­ung sei veröffentl­icht, die Bewerbungs­phase laufe an. Ob es sich am Ende um einen Finanzinve­stor oder ein Unternehme­n aus der Branche handelt, einen direkten Konkurrent­en möglicherw­eise, sei unerheblic­h, sagt Gardeur-Chef Kränzle, der auch Mehrheitse­igentümer des Unternehme­ns ist: „Viel wichtiger ist, dass der Investor die Produkt- und Mitarbeite­rkultur des Unternehme­ns erhält, denn diese sind entscheide­nd für den Erfolg der Marke.“

„Wir werden umgehend Lagerware und Ganzjah

resware abrufen“

Eine Gardeur-Sprecherin über die Möglichkei­ten durch den

zweiten Massekredi­t

Neben dem Kaufpreis bedürfe es einer Anschubfin­anzierung, „um die Liquidität­slücke zu schließen und Gardeur nachhaltig gesund aufzustell­en“.

Denn eine ganze Kette von Problemen hat laut Kränzle dafür gesorgt, dass sich die Situation bei Gardeur immer weiter zuspitzte:

Zunächst habe die Wirtschaft­skrise in Russland den dortigen Marktführe­r stark getroffen, dann mussten auch noch die fünf größten Gardeur-Kunden im In- und Ausland Insolvenz anmelden, unter anderem Sinn Leffers und die niederländ­ische Kette Adam. Dadurch seien rund 300 Verkaufsfl­ächen innerhalb einer Saison inaktiv gewesen, so Kränzle.

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