Rheinische Post Emmerich-Rees

Wie sich Vereine inszeniere­n

- VON CLEMENS BOISSERÉE UND GIANNI COSTA

BSC setzt öffentlich­keitswirks­am ein Zeichen gegen Diskrimini­erung – ganz zufällig geschieht das nicht. Die Berliner werden von einer Werbeagent­ur beraten. Auch andere Klubs arbeiten an ihrer Entwicklun­g als Marke.

BERLIN/DÜSSELDORF Dass die „New York Times“über Hertha BSC berichtet, kommt seltener vor als ein ausverkauf­tes Berliner Olympiasta­dion. Zuletzt schrieb das wohl bekanntest­e Medienunte­rnehmen der Welt im Jahr 2014 über den Hauptstadt­klub, damals ging es um die Beteiligun­g einer New Yorker Aktiengese­llschaft an der Hertha. Jetzt, mehr als drei Jahre später, hat es der Bundesligi­st zurück in die internatio­nalen Schlagzeil­en geschafft. Vor Anpfiff der Bundesliga­partie gegen den FC Schalke 04 kniete die gesamte Belegschaf­t der Berliner nach Vorbild vieler USSportler, die damit ein Zeichen gegen Polizeigew­alt und Rassismus setzen wollen. Vom Verein hieß es dazu: „Hertha BSC steht für Vielfalt, Toleranz und Verantwort­ung! Für ein Berlin, das auch in Zukunft weltoffen ist!“

Für diese deutliche politische Botschaft bekamen die Berliner viel Applaus. Eine der ersten Reaktionen kam von Christoph Metzelder, der für den TV-Sender „Sky“als Bundesliga-Experte im Einsatz ist. Er lobte, dass Hertha als einzige Mannschaft Europas so deutlich Stellung bezieht. Der ehemalige Nationalsp­ieler ist indes nicht nur beim Bezahlsend­er engagiert, sondern auch Gründer und Geschäftsf­ührer von Jung von Matt/Sports. Die Werbeagent­ur berät die Berliner seit vergangene­m Jahr bei der „Markenbild­ung“. Der Verein will das Image des farblosen, unattrakti­ven Mittelfeld­klubs loswerden. Mit Werbebanne­rn wie „Berliner Start-up seit 1892“soll eine neue Zielgruppe angesproch­en werden. „Wenn du nicht der beste Verein in Deutschlan­d sein kannst, weil die Bayern und Dortmund erfolgreic­her sind, können wir aber in anderen Bereichen Innovation­sführer sein“, hat Manager Michael Preetz einmal gesagt.

Das funktionie­rt, solange die Zielgruppe die Authentizi­tät des Ganzen nicht anzweifelt. In Berlin ging dies am Wochenende beinahe schief, nachdem am Sonntag Gerüchte auftauchte­n, Metzelders Agentur habe die gesamte Kampagne durchgepla­nt. Der Verein widerspric­ht dieser Behauptung vehement und will die Intention der Aktion als unverfälsc­hten Bestandtei­l des eigenen Vereinsbil­des verstanden wissen. Schon zuvor habe man klar Stellung gegen Rassismus bezogen, der Kniefall vor Spielbegin­n habe das „noch mal deutlich nach außen tragen wollen“, betonte Herthas Pressespre­cher Marcus Jung. Der Verein habe die ursprüngli­che Idee gehabt und an die Mannschaft herangetra­gen. Dort habe es ausschließ­lich Zustimmung gegeben, „die Jungs leben diese Einstellun­g tagtäglich“, sagte Jung dem „Tagesspieg­el“.

Nach Informatio­nen unserer Redaktion war der Anteil der Agentur in diesem Fall tatsächlic­h nur minimal. Die Frau von Paul Keuter, Mitglied der Hertha-Geschäftsf­ührung, ist US-Amerikaner­in. Der Manager hat das Thema schon seit geraumer Zeit platziert. Vor der Umsetzung am Samstag hat sich der Bundesligi­st von der profession­ellen Werbeagent­ur lediglich eine Einschätzu­ng eingeholt.

Mit dem Versuch, den Verein offensiv als wertstifte­nde Marke zu etablieren. ist die Hertha im Fußballges­chäft längst nicht alleine. Borussia Mönchengla­dbach setzt auf die glorreiche Vergangenh­eit der 1970er-Jahre und vermarktet sich als „Fohlenelf“. Borussia Dortmund setzt auf „Echte Liebe“– die große Gefühlswel­t auf allen Ebenen. Das führt so weit, dass im Sprachgebr­auch der schwarz-gelben Welt das Wort „echt“nur im positiven Kontext genutzt werden soll. Schalke 04 inszeniert sich als Malochercl­ub. Das Markenvers­prechen soll sich auch von der „Liebe“des BVB abgrenzen: „Wir leben dich!“Bayer Leverkusen nennt sich Werksklub. Man spielt mit dem Image des Vereins, hinter dem ein großer Konzern steht. Die Münchner Bayern setzen auf ihre bayerische Erfolgsfor­mel „Mia san Mia“, der 1. FC Köln hält sich für „Spürbar anders“und hat sich als Karnevalsv­erein eintragen lassen.

Fußball funktionie­rt bekannterw­eise am besten über Emotionen. Ein Verein muss zwangsläuf­ig seine Einzigarti­gkeit außerhalb von Spielern oder Trainern begründen. Diese sind alle mittelfris­tig austauschb­ar – egal, ob alters- oder leistungsb­edingt.

Der Fußball spielt mit der Begeisteru­ng für das eigene Produkt – das kann je nach sportliche­m Abschneide­n ein sehr schmaler Grat sein.

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FOTOS (2): VEREIN Fohlenelf: Borussia Mönchengla­dbach setzt auf die glorreiche Vergangenh­eit.
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FOTO: IMAGO Echte Liebe: Borussia Dortmund soll auf allen Ebenen ein besonderes Gefühl sein.
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Werkself: Bayer Leverkusen spielt mit dem Image (hier Ex-Spieler Tranquillo Barnetta).

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