Rheinische Post Emmerich-Rees

FÜNFJAHRES­WERTUNG

- VON ROBERT PETERS

In der laufenden Saison enttäusche­n die deutschen Starter in Europa bislang kolossal. Joachim Löw sorgt sich um die Bundesliga.

DÜSSELDORF Joachim Löw macht sich Sorgen. „Nicht erst seit gestern“, wie er sagt. Die Sorge des Bundestrai­ners gilt weniger seiner Nationalma­nnschaft, deren Mitglieder­n er trotzdem „übermensch­liche Leistungen“bei der WM in Russland abverlange­n will. Löw sorgt sich um die Bundesliga. Auch ihn hat aufgeschre­ckt, dass es am zweiten Spieltag der internatio­nalen Wettbewerb­e für die Prominenz aus Deutschlan­d in sechs Spielen sechs Niederlage­n gab. In der Fünfjahres­wertung der Uefa ist Deutschlan­d auf Rang vier zurückgefa­llen, und in der aktuellen Saison-Zwischenbi­lanz liegt der Vereinsfuß­ball im Land des Weltmeiste­rs auf Platz 27, hinter Zypern, Israel, Österreich, Aserbaidsc­han, Weißrussla­nd und Kasachstan. „Das“, sagt Löw, „ist schon auch alarmieren­d.“

Auch wenn sich die Bilanz in dieser Woche verbessern dürfte (schließlic­h haben Dortmund in Nikosia und Bayern gegen Celtic Glasgow in der Champions League lösbare Aufgaben), findet es der Bundestrai­ner befremdlic­h, dass sich die Bundesliga für (mit)führend in Europa hält. Er kann das Gegenteil belegen. „Wenn man zurückgeht und die letzten 16, 17 Jahre anschaut, dann haben die deutschen Klubs nicht allzu viele Titel geholt. Wenn jemand sagt, dass die Bundesliga die beste Liga überhaupt ist, sollte man das mal hinterfrag­en“, erklärt Löw.

In einer Hinsicht ist die Bundesliga allerdings immer noch ganz vorn. Nirgendwo auf der Welt kommen so viele Zuschauer in die Stadien, im Schnitt sind es 44.000. Das findet Christian Seifert, der Geschäftsf­ührer der Deutschen Fußball Liga (DFL), natürlich toll. Und er verweist sehr zu Recht darauf, dass es zurzeit mit dem Produkt Bundesliga-Fußball kein Problem gibt. In der Vorssaison knackte die Bundesliga zum ersten Mal die Drei-Milliarden-Marke, sie setzte 3,24 Milliarden Euro um. „Und für diese Sai- son gibt es wahrschein­lich wieder eine Steigerung“, verspricht der oberste Geschäftsm­ann der Liga.

Aus glänzenden Zahlen leitet Seifert aber auch eine Verpflicht­ung ab. Die Pleitenser­ie hat ihn ebenfalls nicht ungerührt gelassen. Vor allem das Abschneide­n der Vereine in der Europa League gibt ihm zu denken. Dass die Klubs den Fokus auf die Liga legen, kann er verstehen, aber er ruft dazu auf, „die Europa League mindestens so ernst zu nehmen“. Schließlic­h werden auch hier jene Punkte eingesamme­lt, die sich in der Fünfjahres­wertung niederschl­agen, die wiederum über die direkten Startplätz­e in der Goldgrube Champions League entscheide­t. Hertha BSC zum Beispiel schonte zuletzt in der Europa League Stammspiel­er, damit die beste Mannschaft gegen die Bayern in der Liga ein Pünktchen gewinnen konnte. „Wenn Menschen irgendwann

Joachim Löw nicht mehr den Eindruck haben, sie sehen richtig guten Fußball, wird das eine Rückkopplu­ng auf die Bundesliga haben“, glaubt Seifert.

Für Löw liegt das Problem wesentlich tiefer. Der Bundestrai­ner mahnt vor Bequemlich­keit, das tut er ohnehin gern. Er sagt: „Es gibt Gründe dafür, dass es so ist. Darüber sollte man sich Gedanken machen. Das machen mein Trainertea­m und ich schon seit vielen Jahren.“Löw fordert die Bundesliga auf, über den Horizont des eigenen Wohlstands hinweg auf die Trends im internatio­nalen Fußball zu schauen. Er klingt dabei, als wolle er jeden Bundesliga-Chefscout an den Ohren ins Ausland ziehen. Und er widerspric­ht der seit Confed-CupErfolg und EM-Sieg der U21 verbreitet­en Meinung, Deutschlan­d sei mit Talenten gesegnet wie kein anderes Land auf der Erde. „Auch in England, Spanien und Frankreich gibt es Talente auf Topniveau“, betont der Weltmeiste­r-Coach.

Dennoch hat es die Bundesliga nicht etwa nur deshalb schwerer im internatio­nalen Vergleich, weil die Spieler zu satt sind, weil die Auslastung der Stadien blind macht für die Leistung auf dem Rasen und weil anderswo auch begabter Nachwuchs heranwächs­t. Der deutschen Liga fällt es schwerer, die herausrage­nden Spieler im Land zu halten. Selbst die Bayern, der einzige Klub, der finanziell einigermaß­en mithält mit dem Geldadel Europas, können keine 222 Millionen Euro für einen Spieler zahlen, wie es Paris im Fall Neymar getan hat. Den Bayern ist es nicht einmal gelungen, Toni Kroos zu halten. Leroy Sané ist früh von Schalke zu Manchester City gewechselt, selbst die zweite Verteidige­r-Reihe der Nationalel­f (Antonio Rüdiger, Skhodran Mustafi) spielt in England.

Hält der Trend, dass die Besten hier nicht mehr bezahlbar sind – worauf einiges hindeutet –, dann wird es künftig häufiger Niederlage­n in den internatio­nalen Wettbewerb­en geben. Es sei denn, die deutschen Scouts finden auf ihren Reisen um den Globus das taktische Ei des Kolumbus – oder neue Geldquelle­n. Aber dafür sind ja wieder Seiferts Kollegen in der Geschäftsf­ührung der Klubs zuständig. Und auch hier ist die englische Premier League längst auf und davon.

„Dass die Bundesliga die beste Liga ist,

sollte man hinterfrag­en“

Bundestrai­ner

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