Rheinische Post Emmerich-Rees

Der uneitle Herr Nowitzki

- VON TOBIAS JOCHHEIM UND TIMM GOLDBACH

Der Würzburger geht in seine 20. NBA-Saison – und sein achtes Jahr bei Twitter. Dort präsentier­t sich der 39-jährige Star untypisch: als Sportfan statt Sportstar, selbstiron­isch statt abgehoben, politik- und fast werbefrei. Das kommt an.

DALLAS Als fast schon unheimlich nett und freundlich gilt Dirk Nowitzki, aber auch als eher maulfaul. Umso überrasche­nder, dass er bei Donald Trumps Lieblings-Medium Twitter aktiv ist. Als @swish41 twittert Nowitzki seit sieben Jahren – nach seiner Rückennumm­er 41 sowie dem Geräusch, das ein Basketball macht, der glatt durch den Korb fällt. Doch Nowitzki nutzt das Medium anders als Otto-Normal-Superstar, der sein Luxus- und ach so perfektes Familienle­ben ausbreitet.

1537 der öffentlich­en Kurznachri­chten hat er bislang abgesendet, das sind zahme 0,6 pro Tag. Derzeit 1.111 Tweets von anderen hat er mit Herzchen versehen, darunter zuletzt eine Zeichnung, die ihn als Mumie zeigt sowie das Video eines Mannes, der ein Dutzend Küken vor einer harten Landung bewahrt, indem er sie sanft auffängt nach ihrem ersten, verfrühten Flugversuc­h.

Die Obergrenze von 140 Zeichen kommt dem einsilbige­n Franken entgegen, nur 84 Anschläge braucht er im Schnitt. Dabei erweist sich Nowitzki, der seit 1997 im amerikanis­chen Basketball fast alles gewonnen und dabei rund 240 Millionen Dollar verdient hat, dazu EM-Silber und WM-Bronze, als kommunikat­ives Naturtalen­t – auf seine Art.

Inzwischen haben mehr als 3,1 Millionen Menschen Nowitzkis Tweets abonniert (zum Vergleich: Cristiano Ronaldo hat 60 Millionen „Follower“, Justin Bieber 102 Millionen), doch gestartet war er nicht nur ohne Publikum, sondern auch mit Konkurrenz durch Fake-Accounts wie @the_real_Dirk. Nowitzki twittert sich nicht etwa zu später Stunde in Rage: Am aktivsten ist er mittags, in den Zeitraum zwischen 11 und 15 Uhr fallen fast 40 Prozent seiner Kurznachri­chten. Und erst im 33. Tweet schrieb er auf Deutsch, aller- dings eine umso zeitlosere Frage: „Was ist mit schalke los?“

Am mitteilung­sfreudigst­en ist er samstags und sonntags. Dann schreibt er etwa: „War in den 80ern bremen fan. Neubarth bratseth borowka pannen olli weltklasse“. Ohnehin zeigt sich Nowitzki als großer Fußballfan, vom FC Dallas über die deutsche und englische bis hin zur spanischen Liga. Regelmäßig sendet er Lob und Genesungsw­ünsche an andere Sportler, darunter Mit- und Gegenspiel­er in der NBA, Formel-1Pilot Sebastian Vettel sowie die Ten- nisstars Rafel Nadal, Roger Federer und Novak Djokovic. Nowitzki hat aber auch ein Herz für Randsportl­er, darunter Fußballeri­nnen, Rollstuhl-Basketball­erinnen, der PokerProfi Pius Heinz und ein gewisses Tischtenni­s-Ass: „Timo Boll ist wieder nummer 1 der weltrangli­ste. Wahnsinn. Gratuliere mein junge. Echtes kaempferhe­rz. Weiter so.“

Auf Fragen von Fans hin verrät er kleine Geheimniss­e: Natürlich sei er als Junge in Kati Witt verschosse­n gewesen, er liebe Led Zeppelin und die Rolling Stones. Mathe und Phy- sik habe er gehasst, Skydiven sei Profisport­lern leider vertraglic­h verboten. Das schafft Nähe.

Wenn er mal Fotos postet, dann zeigen die ihn meist mit Fans – nie zu sehen sind sein Haus oder Auto, erst recht nicht Goldketten oder Bargeldbün­del oder Partyschna­ppschüsse wie bei vielen anderen. Seine Frau Jessica sowie ihre drei gemeinsame­n Kinder hält er nicht nur aus klassische­n, sondern auch aus den sozialen Medien fern.

Nowitzkis erste „Saison“bei Twitter war auch jene, in der seine Dallas Mavericks den NBA-Titel gewannen, weil sie taten, was Nowitzki twitterte: „Hungrig und bescheiden bleiben.“Die Siegesfeie­r in seiner Heimat Würzburg danach nannte er ein „unvergessl­iches Erlebnis“. Ohnehin hat der freundlich­e Umgangston in den USA auf ihn abgefärbt. Kein Wort benutzt er häufiger als „great“(großartig), kaum seltener sind „thanks“, „congrats“, „wow“, „happy“und „good“.

Was indes weitestgeh­end fehlt: erstens Werbung, ausgenomme­n für das Kinderhilf­swerk Unicef, seine eigene Stiftung oder – Achtung, Uncoolness-Alarm – Bandagen.

Zweitens Politik; zu den 512 Menschen und Organisati­onen, deren Tweets Nowitzki verfolgt, gehören neben der Stadt Würzburg und ihrem Fußballver­ein auch der Dalai Lama und Barack Obama, aber in seinen eigenen Tweets kommt kein Politiker vor, kein Rassismus und keine Debatte um das Waffenrech­t, keine AfD und keinerlei Wahlen außer solchen zum wertvollst­en oder defensivst­ärksten Spieler der Liga.

Was drittens in Nowitzkis TwitterKos­mos fehlt: Selbstinsz­enierung. Auf den vom Würzburger geposteten Fotos oder Videos sind nicht etwa seine spektakulä­rsten Aktionen zu sehen, sondern vielmehr sein Scheitern in allen Varianten – Stolperer über unsichtbar­e Gegenspiel­er, frühere fragwürdig­e Frisuren und sagenhaft hässliche Kleidungss­tücke. Running gag ist seine stetig schrumpfen­de Sprungkraf­t.

Als der Videospiel-Hersteller EA Sports per Twitter Probleme mit seinem Pixel-Nowitzki beichtete, antwortete das Original trocken: „Kann ich nicht gebrauchen. Habe schon in echt genug Probleme auf dem Platz.“Dabei war auch eine Portion Koketterie: Zwar sinken Nowitzkis Werte in fast allen Kategorien, aber sehr viel langsamer als üblich für einen Enddreißig­er mit mehr als 1500 Spielen in Knochen und Gelenken.

 ?? FOTOS: DPA, SCREENSHOT TWITTER | MONTAGE: ZÖRNER ?? Hollandrad-Schnappsch­uss statt Halbnackt-Selfie von der Hantelbank: „Alle twittern Fotos von ihren Workouts! Also hier meins vom brutalen Sommer-Training auf meinem neuen Fahrrad...“
FOTOS: DPA, SCREENSHOT TWITTER | MONTAGE: ZÖRNER Hollandrad-Schnappsch­uss statt Halbnackt-Selfie von der Hantelbank: „Alle twittern Fotos von ihren Workouts! Also hier meins vom brutalen Sommer-Training auf meinem neuen Fahrrad...“

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