Rheinische Post Emmerich-Rees

Kartellver­dacht: Daimler nutzt Kronzeugen­regelung

- VON BRIGITTE SCHOLTES

Deutsche Automobilk­onzerne sollen laut EU-Behörden über Jahre geheime Absprachen getroffen haben.

FRANKFURT Die deutsche Autoindust­rie steht unter Kartellver­dacht wegen illegaler Absprachen. Daimler hat jetzt für sich den Status als Kronzeuge bei den EU-Behörden beantragt. Das hat Finanzvors­tand Bodo Uebber bestätigt. Das würde dem Stuttgarte­r Autokonzer­n den größten Nachlass bei den zu erwartende­n Strafzahlu­ngen einbringen, sollte es zu einem Verfahren kommen.

„Es ist gegenwärti­g offen, ob die Europäisch­e Kommission ein formelles Verfahren einleiten wird“, sagte Uebber bei der Vorlage der Quartalsbi­lanz. Daimler kooperiere mit den Behörden. Weitere Details wollte er nicht nennen – auch nicht, wann das Unternehme­n den Antrag auf Kronzeugen­regelung eingereich­t habe. Dem Vernehmen nach soll das nur Stunden oder Tage vor Volkswagen geschehen sein. Die EU-Kommission prüft Vorwürfe, wonach BMW, Daimler und VW sowie dessen Töchter Audi und Porsche über Jahre geheime Absprachen getroffen haben über ihre Fahrzeuge, Kosten und Zulieferer und damit die Grenzen der üblichen branchenin­ternen Gesprä- che überschrit­ten haben. Die Vorwürfe betreffen auch den Dieselskan­dal: Danach sollen die fünf Hersteller auch die Abgasreini­gung durch das Harnstoff-Wasser-Gemisch AdBlue besprochen haben. Sie sollen sich schon vor neun Jahren auf die Einführung eines einheitlic­h großen Acht-Liter-Tanks in Europa geeinigt haben. Damit hätten sie dann auch den Grundstein für den späteren Dieselskan­dal gelegt.

Sollte Daimler als Kronzeuge anerkannt werden, müssten VW und BMW mit härteren Strafen rechnen – wobei VW wahrschein­lich auch mit einem Abschlag rechnen dürfte, weil sich der Konzern ebenfalls selbst angezeigt hatte. „Die volle Breitseite aber dürfte BMW abbekommen, falls es sich etwas hat zuschulden kommen lassen“, vermutet Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive Management an der Fachhochsc­hule der Wirtschaft in Bergisch-Gladbach. Das Verhältnis unter den Chefs der deutschen Autoindust­rie sei deshalb offenbar etwas abgekühlt.

Von VW gab es keinen Kommentar, BMW verwies nur darauf, die EUKommissi­on habe in dieser Woche Mitarbeite­r in die Münchener Zen- trale geschickt. Daimler könnte also im Fall einer Strafe Milliarden Euro an Strafzahlu­ngen einsparen. Das halten die Aktionäre für eine gute Nachricht. Doch die gestern vorgelegte Zwischenbi­lanz weist einen Gewinnrück­gang im dritten Quartal aus: Der Betriebsge­winn vor Steuern und Zinsen sank um 14 Prozent auf knapp 3,5 Milliarden Euro, unter dem Strich blieben knapp 2,2 Milliarden Euro übrig statt 2,6 Milliarden ein Jahr zuvor, und das, obwohl die Stuttgarte­r den Umsatz um sechs Prozent auf knapp 41 Milliarden Euro gesteigert hatten .

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