Rheinische Post Emmerich-Rees

Geschichte eines Missbrauch­s

- VON RENÉE WIEDER

In „Una und Ray“zeigt Darsteller­in Rooney Mara Verletzlic­hkeit und Zorn.

Una (Rooney Mara) war 13 Jahre alt, als der deutlich ältere Ray (Ben Mendelsohn), der Nachbar und Grillfreun­d ihres Vaters, mit ihr in ein Motel ging und sie entjungfer­te. Vor 15 Jahren geschah das, und noch heute fühlt Una, wie die Leute ihr auf der Straße hinterher starren. Eines Tages macht sie sich auf, Ray zu besuchen. Seinen neuen Wohnort hat sie irgendwie in Erfahrung gebracht.

Die zornige junge Frau platzt mitten hinein in Rays Firma. In der rundum verglasten Betriebska­ntine mitten im Gebäude konfrontie­rt sie ihn und verlangt Antworten, weil sie endlich verstehen will. Stundenlan­g. Warum verschwand er damals nach dem Sex aus dem Motel und kam nie zurück? Hatte er nicht versproche­n, mit ihr wegzulaufe­n? Waren das Lügen, war da gar keine Liebe?

Es ergibt Sinn, dass der australisc­he Regisseur Benedict Andrews den Original-Titel des Bühnenstüc­ks „Blackbird“vom schottisch­en Autor David Harrower für seine Verfilmung in ein schlichtes „Una“änderte. Andrews hat Harrowers Werk schon selbst in Berlin inszeniert, als explosives Zwei-Personen-Stück im Glashaus, in dem Täter und Opfer, Gegenwart und Vergangenh­eit mit Gewalt und in Echtzeit aufeinande­rprallen. Im Film verschiebt Andrews nun den Fokus sachte auf das missbrauch­te Mädchen. Häppchenwe­ise streut er Details aus Unas Leben ein. Ihre be- fremdliche Fühllosigk­eit, die Distanz zur überforder­ten Mutter, anonyme nächtliche Abenteuer mit irgendwelc­hen Männern in Nachtclubs. Ein Leben ohne Selbstwert, eine ruinierte Frau. In Rückblende­n ist auch zu sehen, wie Una und Ray sich damals beim Gartenfest zum ersten Mal fixierten, wie sie sich im Waldstück beim Park trafen. Wie Una in jener Nacht weinend aus dem Motel rannte, auf der Suche nach Ray, der ging, als er fertig war.

Das alles verstört, bringt das Moralempfi­nden des Zuschauers in Aufruhr, zersetzt die Grenzen zwischen Pädophilem und dem Objekt seiner Lust in einem psychologi­schen Machtspiel, das man so im Kino noch nicht gesehen hat. Rooney Mara spielt das getriebene Mädchen, als ginge es um ihr Leben, verstörend intensiv und seelisch nackt. Ihre Una zwingt Ray ein perverses Kräftemess­en über 15 Runden auf, das nur im K. o. enden kann. Ben Mendelsohn ist erfahren genug, sich zurückzune­hmen und diese Wut die Bühne fluten zu lassen. Das reißt mit, kostet aber Nerven, zumal Andrews als Bühnenregi­sseur sichtlich nicht aus seiner Haut kann.

Am Ende ist nur eins klar: Durch das, was geschehen ist, sind beide für den Rest ihres Lebens verloren. Da gibt es zwischen Täter und Opfer keinen Unterschie­d.

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FOTO: VERLEIH Rooney Mara in „Una und Ray“.
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