Steuer-Wirrwarr um Bordellbetrieb
Im Casa-Rossa-Prozess sagten jetzt Finanzbeamte als Zeugen aus. Das älteste Gewerbe der Welt ist kompliziert zu besteuern. Verteidigung frohlockt.
ELTEN/KLEVE (dau) Im Prozess gegen die niederländische Familie, die das Bordell Casa Rossa in Elten betrieben hat, geht es laut Anklage um hinterzogene Steuern und Sozialversicherungsabgaben in Millionenhöhe. Doch mit jedem Verhandlungstag, mit dem sich das Landgericht Kleve tiefer in die Materie einarbeitet, tritt das wahre Thema des langwierigen Verfahrens zu Tage – die Unmöglichkeit, das angeblich älteste Gewerbe als ein Geschäft, zu betrachten, bei dem diejenigen, die es betreiben, diesen Beruf „wie jeden anderen“ausüben, ordentlich Buch führen und am Ende eines Geschäftsjahres den Steuerberater aufsuchen, um die Steuererklärung anzufertigen. Zwei Zeugen aus der Finanzverwaltung gaben jetzt Einblick, wie die Behörden mit dem Gewerbe umgehen. Das Fazit: Die Beamten nehmen an einem absurden Theaterstück teil, das sie selbst nicht geschrieben haben. Die, die es geschrieben haben, träumen davon, die Prostitution als normales Gewerbe zu fassen zu bekommen.
So gibt es für die Prostituierten, die selbstständig arbeiten, das „Düsseldorfer Verfahren“. Eine Steuervorauszahlung, die bei der Finanzverwaltung mit einer besonderen Steuernummer versehen. Die Idee: Wenn die Prostituierten ihre Steuererklärung machen, werden die Vorauszahlungen verrechnet. 10 Euro pro Tag pro Prostituierter im Einsatz entrichtete das Casa Rossa an das Finanzamt Kleve. Die Summe sei bewusst gering angesetzt worden: „Wir waren froh, überhaupt einen Einstieg zu bekommen“, so einer der beiden Finanzbeamten. Dem Casa Rossa hielt er zugute, dass die Listen und die daraus resultierenden Zahlungen pünktlich eingereicht wurden. Wenn an einem Tag eine Prostituierte keine Einnahmen hatte, mussten die10 Euro nicht entrichtet werden – da drückten die Behörden ein Auge zu. „Das ist schon ein hartes Geschäft für die Damen“, so der Beamte. Doch für die angeblich selbstständig tätigen Prostituierten brachte das Verfahren nichts: „Um eine Steuererstattung zu bekommen, müssen die Damen alle Aufzeichnungen vorlegen. Das ist meist nicht der Fall, so dass es zu keiner Erstattung kommt.“
Aus der Sicht der Finanzbehörden hat es sich beim Casa Rossa nicht um ein Bordell gehandelt, sondern um einen „bordellähnlichen Betrieb“. Denn: Ein klassisches Bordell mit angestellten Liebesdamen würde von den Behörden nicht genehmigt. Und so gibt es im Kreis Kleve stattdessen Saunaclubs oder gewerbliche Zimmervermietungen. Selbst, als am Landgericht Kleve Urteile ergingen, dass die Theorie von selbstständig tätigen Prostituierten in den Etablissements nicht aufrechtzuerhalten ist, gab es, so ein zweiter als Zeuge vernommene Finanzbeamter, „die Anweisung der Oberfinanzdirektion, das erst einmal so weiterlaufen zu lassen“.
Diese Aussagen waren Wasser auf die Mühlen der Verteidigung. Die Anwälte argumentieren sinngemäß, wenn nicht einmal das Finanzamt die Besteuerung korrekt vorgenommen hat – wie sollten das dann die Angeklagten wissen?