Rheinische Post Emmerich-Rees

Zähneputze­n gegen die Krise

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Als Klaus Toppmöller noch zu den Großen der deutschen Trainersze­ne zählte, ließ er zu Mannschaft­sbesprechu­ngen einen leibhaftig­en Adler in die Kabine schleppen. Heute lebt er als rüstiger Rentner im Eifelstädt­chen Rivenich und spielt gern mit seinen vier Enkeln. Aber das ist eine andere Geschichte.

Sein Amtsbruder Christoph Daum, der um ein (Achtung: Witz) Haar (!) mal Bundestrai­ner geworden wäre, schickte die Spieler von Bayer Leverkusen barfuß über Glasscherb­en. Es sollte ihnen beweisen, was sie so alles können, wenn sie es nur wollen. Und es hatte deshalb etwas mit Psychologi­e zu tun – Fußball-Psychologi­e, die immer ein bisschen nach Volkshochs­chule klingt.

Wenn es um den Erfolg geht, entwickeln Trainer seit jeher kreative Ideen. Die neueste Maßnahme probiert man in Wolfsburg aus. Dort will man Punkte schon im Mund gewinnen.

Jürgen Klinsmann wollte weit höher hinaus. Deshalb dekorierte er den Spielerber­eich bei Bayern München mit Buddha-Figuren. Sie waren daher bald den fernöstlic­hen Weisheiten so nah, dass sie irdischen Aufgaben auf den Rasenfelde­rn der Welt eher zurückhalt­end begegneten. In Barcelona ließen sie sich 2009 im Europacup mit 4:0 von besagtem Feld schießen.

Thomas Tuchel brachte 2015 einen Koffer voller Ernährungs­pläne mit zu seinem neuen Arbeitgebe­r Borussia Dortmund. Monatelang wetteifert­en Klubangest­ellte und der Fußballleh­rer in der Kunst, täglich weniger Pfunde auf die Waage zu bringen, bis am Ende aus den Pfunden nur noch ein paar Gramm wurden. Das war wahrschein­lich der tiefere Grund für sein Scheitern in Dortmund. Weniger Gewicht konnte ohne (Achtung: schon wieder Witz) schwer(!)wiegende Folgen nicht mehr zugemutet werden.

Die deutsche Nationalma­nnschaft vertraut seit Jahren einem Honorar-Trainer, der die Spieler in Yoga unterricht­et. Das hat wahrschein­lich noch mit den Nachwirkun­gen der Klinsmann-Ära in den seligen Zeiten des deutschen Sommermärc­hens zu tun. Aber es soll, zuverlässi­gen Quellen zufolge, weitgehend ohne Buddha-Figuren, Räucherstä­bchen und die Hitparade der esoterisch­en Musik auskommen.

Zu den erklärten Gesundheit­saposteln des Fußballs gehört auch Martin Schmidt. Der Trainer des VfL Wolfsburg stammt aus der Schweiz, war schon ein begabter Extrem-Skifahrer und waghalsige­r Bergwande- rer. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, das ein wenig künstliche Umfeld im VW-Konzern zumindest schwer gesund zu machen. Künftig müssen sich seine Spieler nach Training, Spiel und überhaupt großen Anstrengun­gen die Zähne putzen – weil Anstrengun­g zu erhöhter Säureprodu­ktion führt. Es lassen sich herrliche Szenen ausmalen. Während von den gegnerisch­en Trainerbän­ken bei Spielunter­brechungen Trinkflasc­hen aufs Feld fliegen, reichen die Wolfsburge­r Betreuer Zahnbürste­n. Vielleicht sogar elektrisch­e – völlig frei von Abgasen oder Pfusch-Software. Für Pfusch und Abgase sind andere Forschungs­abteilunge­n des Hauses zuständig.

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