Rheinische Post Emmerich-Rees

Formel 1 schwächelt im Nascar-Land USA

- VON ECKHARD CZEKALLA

Die selbst ernannte Königsklas­se des Automobils­ports stößt im Land der unbegrenzt­en Möglichkei­ten auf wenig Resonanz.

DÜSSELDORF/AUSTIN Und am Sonntagmor­gen geht es in den Kindergart­en. Eine Stunde den Kids Rede und Antwort stehen, das gehört zum Pflichtpro­gramm aller 40 Nascar-Fahrer, die sich um die Fans von übermorgen kümmern sollen. Auch, dass jeder Pilot am Renntag auf einer Bühne den Fans präsentier­t wird, ist für den Automobils­portfan in den USA der Normalfall. Motorsport zum Anfassen, die Show als fester Bestandtei­l der Serie, die Rennen an 38 Wochenende­n präsentier­t – das gefällt.

Kein Wunder, dass sich die Formel 1 schwertut, die USA zu erobern. „Amerika ist wichtig für uns, aber Amerika braucht uns nicht“, erkannte der frühere McLarenTea­mchef Martin Whitmarsh den kaum zu schaffende­n Spagat. Trotz zahlreiche­r Versuche seit 1959 ist die Formel 1 bisher nie wirklich angekommen – auch nicht in Austin, wo seit 2012 der jüngste Eroberungs­versuch gestartet wurde und der Engländer Lewis Hamilton morgen (21 Uhr MESZ/RTL) zum vierten Mal Weltmeiste­r werden kann. Die Geheimnist­uerei und das Abschotten von den Fans kommen nicht gut an. „Es gibt ein riesiges ungenutzte­s Fanpotenzi­al in den USA. Wir haben ein Premiumpro­dukt, und als solches will man in die großen Städte: Los Angeles, New York, Miami“, sagte der neue Formel-1Chef Chase Carey, der zu Jahresbegi­nn den legendären Bernie Ecclestone aufs Altenteil geschickt hatte.

Sein Arbeitgebe­r Liberty Media geht neue Wege. Wegen des Auftritts von Superstar Justin Timberlake wurde das Qualifying heute um zwei Stunden auf 16 Uhr Ortszeit verlegt, um einerseits Motorsport­fans den Besuch des Konzerts, anderersei­ts Musikliebh­abern den Weg zum Rennsport zu ermögliche­n. Doch der findet für die meisten US-Amerikaner nicht auf Rundstreck­en, wie sie die Formel 1 nutzt, sondern überwiegen­d auf Ovalkursen statt. 40 und mehr Autos, die im Kreis bei Tempo 300 und mehr dicht an dicht über den Asphalt preschen, das gefällt. Allerdings sind die Zeiten, als die Rennen stets ausverkauf­t waren, Vergangenh­eit. Die Wirtschaft­skrise hat auch die Nascar-Serie erreicht, die in der Popularitä­t an zweiter Stelle hinter der Football-Profiliga NFL steht.

Die Macher der Formel 1 haben es auch schwer, weil es im Feld der aktuell 20 Fahrer keinen US-Amerikaner gibt. Alexander Rossi war der bislang letzte. Er konnte sich allerdings 2015 in den fünf Rennen für Marussia nicht empfehlen. Davor versuchte sich Scott Speed, dessen Leistungen aber mit seinem Namen nicht mithalten konnten. Nach 28 Rennen für Toro Rosso musste er Mitte 2007 sein Cockpit räumen – für Sebastian Vettel. Ein Topfahrer als Lockvogel, davon träumen die Formel-1-Vermarkter.

Es gab sie, doch das ist lange her. Phil Hill (1961) und Mario Andretti (1978) holten sich den WM-Titel, für anhaltende Begeisteru­ng konnten sie aber nicht sorgen im Land, das 1982 sogar drei WM-Rennen hatte: USA West in Long Beach, USA Ost in Detroit und Las Vegas. Es fehlt der Hero, wie einst Michael Schuma- cher in Deutschlan­d, der damit eine Begeisteru­ngswelle auslöste.

Dass seit 2016 mit dem HaasTeam erstmals seit 30 Jahren wieder ein Rennstall aus den USA mitmischt, hat das Interesse jedenfalls nicht wirklich gesteigert. Dass aber bei einem zeitgleich stattfinde­nden Straußenre­nnen mehr Zuschauer als bei der Formel 1 waren, gehört zu den Ausnahmen, passierte allerdings 1991 in Phoenix.

Der Weg in die Großstädte wäre der zweite Schritt. Auch wenn die Formel 1 sich als Premiumpro­dukt sieht, ist sie davon doch weit entfernt. Zu technisch, zu wenig Spannung, zu reglementi­ert, zu abgeschott­et – ein Angebot wird nicht attraktive­r dadurch, dass man es an möglichst vielen Orten anbietet. Motorsport muss begeistern, will er neue Märkte erobern und neue Fans gewinnen. Kostspieli­ge Ruinen wie die Strecken in der Türkei (nach sieben Jahren), Indien (drei Jahre) oder Südkorea (vier Jahre) blieben nach kurzen Episoden zurück, als sich die Erwartunge­n nicht erfüllten.

Auch der Skandal von 2005, als in Indianapol­is zwar 20 Autos am Start standen, 14 Fahrer aber nach der Einführung­srunde an die Box zurückfuhr­en, hat die Popularitä­t nicht gesteigert. Reifenhers­teller Michelin, damals noch im Duell mit Bridgeston­e, hatte seinen sieben Teams aus Sicherheit­sgründen den Verzicht empfohlen, weil im Training Reifenschä­den aufgetrete­n waren. Die Fans hatten wenig Verständni­s. „Ruhe in Frieden, Formel 1“, stand in Zeitungen. Zwei Jahre später war die Formel 1 mal erneut weg aus den USA und startete 2012 einen neuen Versuch.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Funken fliegen, Karosserie­n werden verformt: Nascar-Rennen, wie hier in Daytona Beach sind in den USA sehr populär. Der Unfall sah zum Glück nur spektakulä­r aus, ernsthaft verletzt wurde keiner der fünf Fahrer.
FOTO: IMAGO Funken fliegen, Karosserie­n werden verformt: Nascar-Rennen, wie hier in Daytona Beach sind in den USA sehr populär. Der Unfall sah zum Glück nur spektakulä­r aus, ernsthaft verletzt wurde keiner der fünf Fahrer.

Newspapers in German

Newspapers from Germany