Rheinische Post Emmerich-Rees

Die Kehrseite der Leistungsg­esellschaf­t

- VON CHRISTIAN SIEBEN

Ein verschwund­ener Pleitier und eine erfolgshun­grige Pharmarefe­rentin – das sind die Zutaten des Bremer „Tatorts“.

BREMEN Fund am Bremer Flughafen: In einer Limousine finden die Bremer Ermittler einen abgetrennt­en Finger und eine Blutspur. Der Finger passte früher ziemlich gut an die Hand eines ehemaligen Pharma-Managers, der vor acht Monaten seine Frau sitzen ließ, weil er sich angeblich wegen eines Burnouts behandeln ließ.

Kurze Zeit später taucht auch die Leiche des Managers auf – eingepferc­ht in eine Metallkist­e. Die Ehefrau reagiert überrasche­nd kühl auf die Nachricht. Lange wissen die Ermittler Lürsen (Sabine Postel) und Stedefreun­d (Oliver Mommsen) nicht, um was es bei dem Fall eigentlich geht. Mord aus Eifersucht? Betrug mit Krebsmedik­amenten? Die Rache einer abgelegten Geliebten?

Für zusätzlich­e Verwirrung sorgt Maria Voss (Nadeshda Brennicke), die früher ebenfalls für das Unternehme­n arbeitete. Nach einem schweren Unfall und einer berufliche­n Zwangspaus­e will sie unbedingt zurück ins Rampenlich­t, wobei ihr so ziemlich jedes Mittel Recht scheint. Dabei macht sie sich die Tatsache, dass Männer ihr schlecht einen Wunsch abschlagen können, gerne zunutze. Auch Stedefreun­d gerät in ihren Bann. Dabei sollte der sich lieber um seine neue BKA-Freundin kümmern, die sich neuerdings ein gemeinsame­s Kind wünscht. Apropos Stedefreun­d. Sei- ne weiblichen Fans bekommen am Sonntagabe­nd eine Menge geboten. Dabei belassen wir es an dieser Stelle aber einmal.

Regisseur und „Tatort“-Veteran Florian Baxmeyer ist ein außergewöh­nlich guter Krimi gelungen. „Zurück ins Licht“bietet eine gelungene Mischung aus Beziehungs­drama, klassische­n Krimistruk­turen und zeichnet dabei das verstörend­e Bild einer Frau, die in Zeiten von Facebook und Instagram von ihrem Drang nach Perfektion förmlich zerfressen wird. Nadeshda Brennicke spielt ihre Rolle glänzend. Die 44Jährige, die bereits zum achten Mal in einer Rolle im „Tatort“zu sehen ist, wirkt mal verführeri­sch, mal gruselig, mal unbesiegba­r, dann wieder bemitleide­nswert.

Christian Jeltsch und Olaf Krämer rechnen in ihrem Drehbuch mit dem Narzissmus-Dauerfeuer unserer Zeit ab. Sie zeigen eine Frau, die sich bis zur Selbstaufg­abe einem feindliche­n System ausliefert, weil sie ununterbro­chen anerkannt und bewundert werden will. Sie zeigen einen Menschen, der beim Blick in den Spiegel nicht mehr Sein und Schein unterschei­den kann. Der lügen, betrügen und vielleicht sogar morden muss, damit ihr Schauspiel nicht aufliegt.

Inspiriert wurden die Autoren auch von einer wahren Begebenhei­t. In München machte vor einiger Zeit eine Frau Schlagzeil­en, die perfekt herausgepu­tzt auf der feinen Prinzregen­tenstraße von Bou- tique zu Boutique stolzierte und dabei viel Eindruck machte. Was lange niemand bemerkte: In Wirklichke­it war die Frau arbeitslos und lebte schon seit Jahren auf der Straße.

Schade, dass in Bremen bald Schluss ist, dürfte so mancher Krimi-Fan am Sonntagabe­nd denken. 2019 schickt radio Bremen das Duo nach 20 Dienstjahr­en in die TV-Rente. Dabei gäbe es vielleicht noch eine Menge zu erzählen. Auch Privates. Zwar läuft es zwischen Stedefreun­d und seiner wunderbar verstockte­n BKA-Freundin (Luise Wolfram) alles andere als gut. So ganz muss man die Hoffnung aber noch nicht aufgeben. Denn wenn dies am Ende eine Trennung sein sollte, dann war sie doch eher halbherzig. „Tatort – Zurück ins Licht“, Das Erste, So., 20.15 Uhr

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FOTO: RADIO BREMEN Hauptkommi­ssar Stedefreun­d (Oliver Mommsen) kommt der Verdächtig­en Maria Voss (Nadeshda Brennicke) näher, als gut ist.

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