Rheinische Post Emmerich-Rees

„Zur Verfolgung freigegebe­n“

-

Gedenkfeie­r der Bürgerakti­on „Pro Kultur“in der Innenstadt und im PAN. Bericht eines Augenzeuge­n zur Pogromnach­t in Emmerich aus dem Jahr 1938.

EMMERICH (moha) „Mittwochab­end, 9. November 1938, wurde eine Versammlun­g der NSDAP auf dem Nonnenplat­z organisier­t. In den dort gehaltenen Reden wurden die Juden ‚zur Verfolgung freigegebe­n’. In der Nacht vom 9. auf den 10. November wurde die SA aufgerufen, sich gegen fünf Uhr morgens zu sammeln. Dabei wurde ihnen mitgeteilt, dass die Synagogen in Brand zu stecken und jüdisches Eigentum zu zerstören sei. Gegen acht Uhr morgens seien einige Autos aus Wesel erschienen mit SA-Leuten, die Beile mit sich geführt hätten. Diese hätten überall an jüdischen Wohnungen Türen und Fenster zerschlage­n und die Einrichtun­g innen zerstört.“

Mit diesem Bericht eines ausländisc­hen Augenzeuge­n, vermutlich einem Belgier, der seine Eindrücke im November 1938 in belgischen und niederländ­ischen Zeitung veröffentl­ichte, erinnerte Irene Möllenbeck, Vorsitzend­e der Bürgerakti­on Pro Kultur, in einer Gedenkfeie­r am Donnerstag­sabend im PAN an die Reichspogr­omnacht vor 79 Jahren.

Zuvor stellte sie gemeinsam mit anderen Bürgern unter dem Motto „Stolperste­ine leuchten“vor allen Häusern der Emmericher Innenstadt, in denen Juden gelebt haben – zu sehen an den dort im Bürgerstei­g eingelasse­nen Stolperste­inen – Lichter auf. Sie war gemeinsam mit Brigitte Schoofs unterwegs, die in Düsseldorf lebt und Patin eines Stolperste­ins ist. „Wir haben hier in Emmerich gemeinsam die Handelssch­ule besucht und uns durch die Aktion ‚Stolperste­ine’ nach 40 Jahren wiedergefu­nden“, erzählte Irene Möllenbeck, die unter anderem beim Stolperste­in von Bertha Albersheim, geboren 1869, eine Kerze aufstellte. Sie hatte in der Steinstraß­e einen „Basar“, der im November 1938 zerstört wurde. Im Haus Steinstraß­e 1 wohnte unter anderem Hedwig Gompertz, die als Neunjährig­e mit ihrer Familie in die USA floh und so überlebte. Ihre Tochter Jeanni Schottenst­ein hatte über Internet von der Aktion „Stolperste­ine“erfahren und vor zwei Jahren die Heimatstad­t ihrer Mutter besucht, erzählte Irene Möllenbeck. Familie Heymann, für die sie Kerzen in der Gasthausst­raße aufstellte, hatte nur überlebt, weil sie 1937 nach Palästina flüchtete. Irene Möllenbeck ist Patin des Stolperste­ines von Bertha Nathan, die 1942 in Auschwitz ermordet wurde. Dort legte sie neben der Kerze eine Rose hin. Die ersten Stolperste­ine wurden für Elise und Eugen Mehler und deren Hausangest­ellten Hedwig Frank und Amanda Koopmann neben dem PAN verlegt. Ihr Haus wurde später zum Judenhaus, dort wurden alle Juden gesammelt und dann deportiert. „Hatte Emmerich 1932 noch knapp 100 jüdische Mitbürger, so lebten Mitte Oktober 1938 nur noch 46 Juden hier. Von den ehemals 26 jüdi- schen Betrieben und Geschäften waren 1938 nur noch zwei vorhanden“, sagte Möllenbeck in ihrer Ansprache. „Wir gedenken heute der Opfer und der Überlebend­en des Holocaust.“

Dr. Jan Heiner Schneider sprach ein Gebet, Sohni Wernicke las ein Gedicht von Halina Birenbaum. Für den musikalisc­hen Part sorgten Heinz und Brigitte Derksen.

„Es waren die Folterknec­hte in den Lagern, die den Gefangenen eine Nummer statt eines Namens in die Haut eingebrann­t haben.“Mit den Stolperste­inen setze man ein Zeichen gegen das Vergessenw­ollen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany