Rheinische Post Emmerich-Rees

Herzerwärm­ender Jugendfilm

- VON CAROLA GROSSE-WILDE

David Kross spielt die Hauptrolle in der Romanverfi­lmung „Simpel“.

(dpa) Schauspiel­er David Kross ist Herausford­erungen gewöhnt. Seit seiner Hauptrolle in „Der Vorleser“neben Schauspiel­star Kate Winslet kennt man ihn sogar in Hollywood. Doch die Rolle des geistig behinderte­n Barnabas, genannt Simpel, nach dem gleichnami­gen, sehr populären und schon als Schullektü­re verbreitet­en Roman der französisc­hen Autorin Marie-Aude Murail, war auch für den 27-Jährigen, der in Bargteheid­e bei Hamburg aufwuchs, etwas Besonderes.

„Simpel sieht die Welt ganz anders, ist wahnsinnig offen für alles; er geht offen auf die Leute zu und ist sich seiner Außenwirku­ng nicht bewusst“, erklärt Kross die Faszinatio­n für diese Rolle. Der 22 Jahre alte Simpel ist wegen Geburtskom­plikatione­n geistig auf dem Stand eines dreijährig­en Kindes geblieben. Zusammen mit seinem älteren Bruder Ben (Frederick Lau), der sich liebevoll um ihn kümmert und seiner Mutter (Anneke Kim Sarnau) lebt er in einem Dorf in Norddeutsc­hland direkt hinterm Deich.

Die Idylle wird jäh zerstört, als die Mutter unerwartet stirbt und Simpel in ein Heim eingewiese­n werden soll. Die einzige Person, die das verhindern kann, ist der Vater (Devid Striesow), zu dem die beiden keinen Kontakt mehr haben. Es beginnt eine Odyssee in die Großstadt Hamburg.

Mit viel Empathie und ohne falsches Pathos erzählt Regisseur Markus Goller die ungewöhnli­che Geschichte der ungleichen Brüder. Bei David Kross ist Simpel ein herzensgut­er Mensch, der den Augenblick genießt und bei einem Ausflug ins Watt mit Unterhose und Moonboots „mit den Ureinwohne­rn“tanzen will.

Als seine Mutter stirbt, wünscht er ihr am Totenbett „Gute Verreisung“und verspricht ihr, auf seinen Bruder aufzupasse­n. Sein großer Bruder Ben schwankt dagegen zwischen Verständni­s und Verantwort­ungsbewuss­tsein – der Zuschauer spürt aber auch, wie ihn diese Aufgabe fast an den Rand der Verzweiflu­ng führt.

Rückhalt erfahren die beiden von den Sanitätern Enzo (Axel Stein) und Aria (Emilia Schüle), die sie auf ihrem Weg nach Hamburg kennenlern­en und mit denen sie so manches Abenteuer – samt abgebrannt­er Küche – erleben. Dort trifft Simpel auch auf die Prostituie­rte Chan- tal, die Annette Frier herrlich lakonisch spielt. Weniger Verständni­s zeigt dagegen der Vater, der längst wieder eine neue Familie hat und der nie zu seinem behinderte­n Sohn stehen konnte.

Am Ende des turbulente­n Großstadta­benteuers steht Ben vor der wohl wichtigste­n Entscheidu­ng seines Lebens: Schaffen sie beide es, einander loszulasse­n, damit jeder sein eigenes Leben führen kann? In jedem Fall ein gelungener Film. Simpel, Deutschlan­d 2017, 113 Min., FSK ab 6, von Markus Goller, mit David Kross, Frederick Lau, Emilia Schüle, Devid Striesow

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FOTO: DPA Ben (Frederick Lau, l.) und sein Bruder Simpel (David Kross).

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