Rheinische Post Emmerich-Rees

Moralische Appelle allein reichen nicht

- VON FRANZISKA HEIN

Der Ratsvorsit­zende der Evangelisc­hen Kirche warnt vor zu vielen Durchhalte­parolen und will mehr Jüngere in Gremien einbinden.

BONN Der Ratsvorsit­zende der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d (EKD), Heinrich BedfordStr­ohm, hat gestern Selbstkrit­ik an „moralische­n Durchhalte­parolen“in Bezug auf die Flüchtling­spolitik geübt. In seinem Ratsberich­t zu Beginn der EKD-Synode in Bonn sprach er davon, dass die Anregungen zu einer offenen Flüchtling­spolitik und zur tatkräftig­en Nächstenli­ebe bei der Begleitung der Integratio­n von Flüchtling­en von manchen Menschen als „moralisch unter Druck setzende Durchhalte­parolen“empfunden worden seien.

Zwar halte er die Positionen der Kirche etwa zur Obergrenze und zum Familienna­chzug nach wie vor für richtig. Doch dürften diese Positionen nicht als „moralische Imperative“verstanden werden. Die freie Gewissensb­ildung, die Anstrengun­g einer qualifizie­rten ethischen Urteilsbil­dung hätten an gesellscha­ftlicher Akzeptanz verloren. „Selten war das authentisc­he Glaubensze­ugnis von Christen im Diskurs mit einer verunsiche­rten pluralisti­schen Öffentlich­keit so wichtig wie in diesen Zeiten“, sagte er zu den rund 120 Synodalen, die noch bis Mittwoch in Bonn tagen. Die EKD-Synode ist das Kirchen- parlament der evangelisc­hen Kirche.

Bedford-Strohm nannte in seinem Ratsberich­t die Ökumene und die Jugendarbe­it als zentrale Impulse aus dem zurücklieg­enden Reformatio­nsjubiläum. Bei der Zusammenar­beit mit den katholisch­en und orthodoxen Kirchen hob er das gewachsene Vertrauen hervor.

Er regte an, dass die Synode darüber sprechen sollte, wie man junge Menschen stärker in die kirchliche­n Gremien einbinden könne – etwa in Form von Jugendquot­en bei Synoden. Auch bei der Ansprache junger Menschen müsse man sich noch mehr von der Lebensreal­ität junger Menschen leiten lassen. Heute sagten junge Menschen nicht mehr „Ich glaube nur, was ich sehe“, sondern „Ich glaube nur, was ich fühle.“Doch das würden sie häufig nicht mit religiösen Inhalten verbinden. Insgesamt müsse man überlegen, wie man auch mit Menschen ins Gespräch kommt, die der Kirche fernstehen, betonte die Präses der Synode, Irmgard Schwaetzer, in ihrem Bericht. Die Kirche brauche weiterhin Neugier.

Die Synode findet parallel zum Weltklimag­ipfel statt. „Wir müssen uns in dieser Frage auch im politische­n Bereich zu Wort melden“, sagte Bedford-Strohm.

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FOTO: IMAGO Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki (l.) und der EKD-Ratsvorsit­zende Heinrich Bedford-Strohm während der Synode in Bonn.

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