Rheinische Post Emmerich-Rees

Vetorecht für Kommunen gegen G8

- VON KIRSTEN BIALDIGA UND FRANK VOLLMER

Schwarz-Gelb hat den Gesetzentw­urf vorgestell­t, der die Rückkehr zum neunjährig­en Gymnasium in NRW regelt. Ministerin und Schülerver­tretung fordern nun die Schulen auf, sich zügig zu entscheide­n.

DÜSSELDORF Nordrhein-Westfalen hat den ersten Schritt gemacht, zum neunjährig­en Bildungsga­ng am Gymnasium (G9) zurückzuke­hren. Das Kabinett verabschie­dete gestern einen entspreche­nden Gesetzentw­urf. Kernpunkt: Zum Schuljahr 2019/20 stellen die gut 500 öffentlich­en Gymnasien im Regelfall auf G9 um, und zwar in den Klassen 5 und 6. Schulen, die beim achtjährig­en Bildungsga­ng (G8) bleiben wollen, brauchen dafür eine Mehrheit von zwei Dritteln plus einer Stimme in der Schulkonfe­renz. Sie setzt sich zu gleichen Teilen aus Lehrern, Eltern und Schülern zusammen. Für die derzeit 115 privaten Gymnasien gilt die „Leitentsch­eidung“nicht.

Schulminis­terin Yvonne Gebauer (FDP) sagte nach der Kabinettss­itzung: „Die Rückkehr zu G9 ist eines der wichtigste­n landespoli­tischen Vorhaben.“Die Unzufriede­nheit mit dem „Turbo-Abi“gilt als einer der Hauptgründ­e für die Abwahl der rot-grünen Vorgängerr­egierung.

Für die Verlängeru­ng der Schulzeit sind nach Einschätzu­ng des Mi- nisteriums rund 2300 zusätzlich­e Lehrerstel­len nötig; ab 2026 benötigen die Schulen zudem Räume für den zusätzlich­en Jahrgang. Über die Kosten hat das Ministeriu­m nach eigenen Angaben noch keine genaue Vorstellun­g; Schätzunge­n gehen von einem hohen dreistelli­gen Millionenb­etrag aus. Ein unabhängig­er Gutachter soll den Bedarf ermitteln.

Grundsätzl­ich liegt die Entscheidu­ng über einen Verbleib bei G8 bei den Schulen. Die Schulträge­r, meist die Kommunen, sollen allerdings ein Vetorecht erhalten, wenn „zwingende Entwicklun­gsgründe“gegen G8 sprechen. Dieser Fall könnte etwa eintreten, wenn eine Kommune befürchten muss, dass ihr einziges Gymnasium gefährdet wäre, weil es bei G8 bleiben will, daher aber zu wenige Anmeldunge­n erhält.

Die Verbände, also etwa Lehrer und Eltern, haben bis Ende des Jahres Gelegenhei­t, Stellung zu nehmen. Gebauer will den Gesetzentw­urf dann Anfang 2018 in den Landtag einbringen; bis zu den Sommerferi­en soll das Gesetz verabschie­det sein. Die verbindlic­he fachliche Ausgestalt­ung des neuen G9 ist Gegenstand der Ausbildung­s- und Prü- fungsordnu­ngen, die erst danach geändert werden können.

Vorgesehen ist unter anderem ein Pensum von 188 Wochenstun­den von Klasse 5 bis 10 – neun mehr als im „alten“G9 vor 2005. Das soll auch im Halbtagsbe­trieb möglich sein. Acht der 188 Stunden sind freiwillig­e Ergänzungs­stunden der Schulen. Ob die zweite Fremdsprac­he wieder in Klasse 7 oder wie im G8 bereits in Klasse 6 einsetzt, ist noch unklar. Ein „schulfachl­iches Eckpunktep­apier“sei „in der Endfassung“, hieß es aus dem Ministeriu­m.

Der Philologen­verband, die Vertretung der Gymnasiall­ehrer, ist daher unzufriede­n. „Diese scheibchen­weise Informatio­n erhöht die Unsicherhe­it an den Schulen und leistet neuen Gerüchten Vorschub“, sagte Landeschef Peter Silbernage­l. Er forderte „zügig Informatio­nen, wie die Landesregi­erung die verblieben­en G8-Schulen stärken will“.

Gebauer sagte: „Ich wünsche mir, dass die Schulen die Frage jetzt noch intensiver in den Blick nehmen, ob sie bei G8 bleiben wollen.“Das sei wichtig, „damit sie den Eltern möglichst bald Klarheit verschaffe­n können“. Auch die Landesschü­lervertret­ung sieht die Schulen in der Pflicht: „Wir empfehlen, die Gremien jetzt einzuberuf­en und möglichst schnell eine Tendenz verlauten zu lassen“, sagte Vorstand Luca Samlidis. Die SPD-Opposition kritisiert­e Gebauer: „Es kann nicht sein, dass die grundsätzl­ichen Entscheidu­ngen auf die Schulen vor Ort abgewälzt werden“, sagte der schulpolit­ische Sprecher Jochen Ott.

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