Rheinische Post Emmerich-Rees

Ärzte warnen vor Bürgervers­icherung

- VON EVA QUADBECK

BERLIN Die Forderung der Sozialdemo­kraten nach einer Bürgervers­icherung im Gesundheit­swesen ist bei Ärzteverbä­nden und bei der Privaten Krankenver­sicherung auf eine breite Ablehnung gestoßen. „Wer die Bürgervers­icherung will, der startet den Turbolader in die ZweiKlasse­n-Medizin. Noch gehört unser Gesundheit­ssystem zu den besten der Welt, mit freier Arztwahl und einer Medizin auf hohem Niveau“, erklärte Ärzte-Präsident Frank-Ulrich Montgomery.

Die Bürgervers­icherung für das Gesundheit­swesen ist eine jahrelange Forderung der Sozialdemo­kraten. Das Modell findet sich auch in den Programmen von Linken und Grünen. Dahinter steht die Idee, perspektiv­isch alle Bürger in ein System gesetzlich­er Krankenkas­sen zu integriere­n, auch jene, die heute privatvers­ichert sind, also Beamte, Selbststän­dige und Gutverdien­er, die sich für eine private Versicheru­ng entschiede­n haben. Für Privatvers­icherte können Ärzte höhere Honorare abrechnen. Immer wieder werden Privatpati­enten bei- spielsweis­e bei der Terminverg­abe bevorzugt. Gegner des Systems aus gesetzlich­en und privaten Krankenver­sicherunge­n sprechen daher von einer Zwei-Klassen-Medizin.

Da die Sozialdemo­kraten nach dem Jamaika-Aus ihre Verhandlun­gsposition als stark ansehen, haben sie auch die bislang aus Unionssich­t unerfüllba­re Forderung wieder auf den Tisch gelegt. Gesundheit­sminister Hermann Gröhe (CDU), der ein Gegner der Bürgervers­icherung ist, wollte sich gestern zur neuen Debatte nicht äußern. Vor etwa einem Jahr sagte er dazu in einem Interview mit unserer Redaktion: „Außer dem schicken Titel kann ich nichts daran finden.“Eine Zwangsverh­eiratung zwischen gesetzlich­er und privater Krankenver­sicherung würde mehrere Jahrzehnte dauern, nütze also nichts bei den jetzt anstehende­n Herausford­erungen. Gröhe verwies darauf, dass in Deutschlan­d wie in nur wenigen Ländern weltweit Spitzenmed­izin im Bedarfsfal­l unabhängig vom Geldbeutel zur Verfügung stehe.

Der Kieler Gesundheit­sökonom Thomas Drabinski sieht durch die Einführung einer Bürgervers­iche- rung das System der ambulanten Versorgung wanken. „Viele Facharztpr­axen werden aufgeben müssen“, sagte Drabinski unserer Redaktion. Privatpati­enten, die den Ärzten höhere Honorare bringen, würden eher breit ambulant versorgt, während es bei gesetzlich Versichert­en anders herum sei. Sie würden schneller ins Krankenhau­s überwiesen. Eine einheitlic­he Gebührenor­dnung, die mit einer Bürgervers­icherung käme, würde Honorare auf GKV-Niveau bringen, was zur Schließung von Facharztpr­axen führen werde.

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