Rheinische Post Emmerich-Rees

Bei Gardeur drohen Entlassung­en

- VON DAGMAR HAAS-PILWAT UND FLORIAN RINKE

Bis Ende November will der insolvente Hosenherst­eller einen neuen Investor präsentier­en. Doch hinter den Kulissen rumort es.

MÖNCHENGLA­DBACH Wie stolz man in Mönchengla­dbach auf die Qualität der eigenen Hosen ist, zeigte die Umbenennun­g 2012: Aus Gardeur wurde Atelier Gardeur. Das klingt nach Maßarbeit, Präzision bei jeder Naht – und nicht nach Wühltisch.

Doch irgendwann war die Not zu groß. Plötzlich lagen die Hosen aus dem Atelier auch in Geschäften wie TK Maxx. Die Kette wirbt damit, Kleidung immer 60 Prozent günstiger als die unverbindl­iche Preisempfe­hlung anzubieten. Es ist genau das Gegenteil von dem, was Gardeur sein will. Doch es ging nicht anders. „Im Vorfeld der Insolvenz mussten wir an Aufkäufer verkaufen, um die Liquidität zu sichern“, räumt eine Gardeur-Sprecherin ein.

Vor knapp zwei Monaten ist dem Hosenherst­eller das Geld ausgegange­n. Nachdem die Verhandlun­gen mit einem strategisc­hen Investor gescheiter­t waren, meldete das Un- ternehmen am 5. Oktober Insolvenz an. Seitdem versuchen GardeurChe­f Gerhard Kränzle und Insolvenzv­erwalter Biner Bähr zu retten, was zu retten ist.

Bis Ende November will der Insolvenzv­erwalter einen neuen Investor präsentier­en. Aktuell verhandele man noch mit fünf Interessen­ten, sagt Kränzle. Um wen es sich handelt, will er nicht verraten. Einige haben aber bereits abgewunken. Der Hemdenhers­teller Olymp etwa oder das Modeuntern­ehmen Bugatti.

In den vergangene­n Wochen soll auch der Name Prevent in Gesprächen gefallen sein. Es wäre ein Einstieg, der für einige Aufregung sorgen dürfte. Denn die Prevent-Gruppe gehört zum Firmenreic­h der bosnischen Unternehme­rfamilie Hastor – und da, wo die ist, ist Aufregung garantiert: Beim inzwischen insolvente­n Küchenhers­teller Alno stritten sich die Hastors monatelang mit dem Management, im Frühjahr scheiterte­n sie nach einem erbitterte­n Streit mit der Übernahme des Automobilz­ulieferers Grammer. Und mit Prevent gerieten sie 2016 in die Schlagzeil­en, als ein Lieferboyk­ott des nicht nur als Modeherste­ller, sondern auch als Automobilz­ulieferer tätigen Unternehme­ns die Produktion bei Deutschlan­ds größtem Autobauer VW lahmlegte. Weder Gardeur noch Prevent wollten sich zu den Spekulatio­nen äußern.

Noch im Oktober erklärte Kränzle, dass es wichtig sei, dass der Investor die Produkt- und Mitarbeite­rkultur des Unternehme­ns erhalte, denn diese sei entscheide­nd für den Erfolg der Marke. Das soll weiterhin das Ziel sein, betont er: „Wir wollen Gardeur als eigenständ­ige Marke erhalten.“

Doch hinter den Kulissen hat sich durch die Insolvenz bereits einiges verändert. Der stellvertr­etende Geschäftsf­ührer Marcus Kraft, dem über eine Beteiligun­gsgesellsc­haft Anteile an Gardeur gehörten, verlässt das Unternehme­n. Auch andere Mitarbeite­r haben zuletzt gekündigt. „Manche hielten den Schwebezus­tand nicht mehr aus, andere wollten sich einfach verändern“, sagt eine Sprecherin. Doch um das Unternehme­n zu retten, wird das nicht reichen: „Wir werden nicht um Kündigunge­n herumkomme­n.“

Wie viele Mitarbeite­r es trifft, sei noch nicht klar. Im Umfeld des Unternehme­ns heißt es jedoch, dass allein in Mönchengla­dbach jede dritte der laut Gardeur nur noch rund 230 Stellen gestrichen werden könnte. Unklar ist, ob es auch an Standorten wie Tunesien (1250 Beschäftig­te) zu Entlassung­en kommt.

Einer soll jedoch bleiben – der Chef selbst. „Bislang spüre ich vonseiten der potenziell­en Investoren große Rückendeck­ung“, sagt Kränzle, der Gardeur 2013 gemeinsam mit Frank Schulte-Kellinghau­s, Marcus Kraft sowie der Förderbank NRW.Bank übernommen hatte.

Der langjährig­e Chefeinkäu­fer der Kaufhauske­tte Wöhrl ist jedoch nicht unumstritt­en. Einige halten ihn zwar für den Richtigen beim Neuanfang. Hört man sich unter Mitarbeite­rn und Ex-Mitarbeite­rn um, fallen aber auch Begriffe wie „beratungsr­esistent“und „Selbstdars­teller“.

Und dann war da noch die Sache mit den Gehältern: Bereits vor einigen Jahren war Kränzle aus dem Tarif ausgestieg­en. In den vergangene­n zwei Jahren verzichtet­en die Mitarbeite­r außerdem freiwillig auf eine Sonderzahl­ung, um für ein besseres Betriebser­gebnis zu sorgen.

Gleichzeit­ig zahlten sich die Geschäftsf­ührer hohe Gehälter aus. Im Geschäftsj­ahr 2013/2014 erhielten sie 897.000 Euro, ein Jahr später waren es 945.000 Euro – obwohl die Geschäfte schlechter liefen. Sowohl beim Umsatz als auch beim Gewinn (Ebitda) lagen die Zahlen unter den Werten des Vorjahres. Gardeur betont, dass die Gehälter unter dem Branchensc­hnitt liegen.

In Zukunft soll auch auf den oberen Etagen stärker gespart werden. Ein Nachfolger für den scheidende­n Marcus Kraft wird nicht gesucht, die Geschäftsf­ührung soll von drei auf zwei Personen verkleiner­t werden. „Insgesamt werden sowohl der Kreis der Geschäftsf­ührer als auch der Leitungskr­eis kleiner werden“, sagte eine Gardeur-Sprecherin.

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FOTO: GARDEUR Gerhard Kränzle leitet seit 2010 den Hosenherst­eller Gardeur.

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