Rheinische Post Emmerich-Rees

Ja zu Glyphosat belastet SPD und Union

- VON JAN DREBES

Mit der Zustimmung für eine längere EU-Lizenz des Unkrautver­nichters zog Agrarminis­ter Schmidt (CSU) den Zorn der SPD auf sich. Es war von Vertrauens­bruch die Rede. Eine Abstimmung mit dem Kanzleramt erfolgte wohl auch nicht.

BERLIN Die Zustimmung von Bundesagra­rminister Christian Schmidt (CSU) für eine Verlängeru­ng der Glyphosat-Zulassung um fünf Jahre hat das Verhältnis zwischen Union und SPD belastet. Er düpierte damit Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks (SPD), die gegen eine Verlängeru­ng war. Aus der SPD hieß es, das sei ein skandalöse­s Verhalten, die künftige Zusammenar­beit gerät damit in Schieflage.

In Brüssel hatten die EU-Mitgliedss­taaten am Montagnach­mittag die letzte Gelegenhei­t, selbst eine Entscheidu­ng zu treffen. Bisher enthielt sich Schmidt wegen des Dissenses mit Hendricks. Wäre es erneut nicht zu einer Mehrheitse­ntscheidun­g gekommen, hätte die Kommission als nächstes selbst über das Unkrautver­nichtungsm­ittel entscheide­n können, das im Verdacht steht, krebserreg­end zu sein und negative Folgen für die Artenvielf­alt zu haben.

Aus Sicht der SPD handelte Schmidt skandalös. Hendricks veröffentl­ichte eine Erklärung, in der sie darlegte, dass sie noch am Nachmittag mit Schmidt über die Abstimmung gesprochen habe. „Genau zwei Stunden vor Beginn der Sitzung des Berufungsa­usschusses, nämlich heute um 12.30 Uhr, habe ich gegenüber dem Kollegen Schmidt telefonisc­h eindeutig erklärt, dass ich mit einer Verlängeru­ng der Zulassung von Glyphosat weiterhin nicht einverstan­den bin, auch nicht unter bestimmten Konditione­n“, teilte Hendricks mit. Eine Enthaltung sei damit klar gewesen. „Um 13.07 Uhr hat Kollege Schmidt mir per SMS bestätigt, dass der Dissens bestehen bleibt.“Offenbar sei zur gleichen Zeit an den Vertreter des Landwirtsc­haftsminis­teriums in Brüssel eine andere Weisung ergangen, als sie abgestimmt war, so Hendricks weiter. Fraktionsc­hefin Andrea Nahles sprach von einem „massiven Vertrauens­bruch“und einer „schweren Belastung“für die Zusammenar­beit in der geschäftsf­ührenden großen Koalition.

Schmidt verteidigt­e hingegen die Entscheidu­ng für eine Verlängeru­ng des umstritten­en Unkrautver­nichtungsm­ittels. „Mit unserer heutigen Zustimmung zur weiteren Zulassung von Glyphosat für fünf Jahre konnten wir wichtige Bedingunge­n durchsetze­n“, sagte er. Der Minister nannte die „Stärkung der Rolle von Biodiversi­tät und Tierschutz“, weitere Aufklärung im Hinblick auf die gesundheit­lichen Gefahren für den Menschen und eine „Prüfung der Optimierun­gsmöglichk­eiten des Genehmigun­gsverfahre­ns für Pflanzensc­hutzmittel­wirkstoffe“. Schmidt begründete das deutsche Abstimmung­sverhalten in Brüssel damit, dass die EU-Kommission „sich ohnehin für die Verlängeru­ng der Zulassung von Glyphosat entschiede­n“hätte. „Die Kommission hätte damit den Wirkstoff ohne diese Bedingunge­n verlängert.“National werde man zusätzlich­e Maßnahmen im Sinne restriktiv­erer Anwendunge­n ergreifen, versprach Schmidt. Frankreich kündigte bereits ein Verbot nach drei Jahren an.

Pikant ist, dass Hendricks schon einmal ihre Zustimmung zu einer Verlängeru­ng der Lizenz gegeben hatte. Im April 2016 hatte sie ihr Ja in Aussicht gestellt, sollte die EU Rücksicht auf die Artenvielf­alt nehmen. Mit Verweis auf mögliche Gesundheit­srisiken zog Hendricks ihr Ja aber am 12. Mai 2016 zurück, kurz vor einer Abstimmung in Brüssel. Am selben Tag schrieb Umweltstaa­tssekretär Jochen Flasbarth in einer E-Mail, die unserer Redaktion vorliegt, dass Hendricks ausdrückli­ch für die SPD-geführten Ressorts gesprochen habe und nicht in ihrer Ressortzus­tändigkeit. Weiter heißt es darin: „Damit ist meines Erachtens klar, dass es sich um eine politische und nicht um eine aus unserer Ressortkom­petenz gespeiste Entscheidu­ng handelt.“Dennoch halte er den Kurswechse­l für gerechtfer­tigt, endet Flasbarth sinngemäß.

Unklar ist, welchen Preis nun die SPD für dieses Foulspiel des Agrarminis­ters einfordern wird. Und offenbar handelte Schmidt auf eigene Faust. Aus Regierungs­kreisen hieß es, „die Entscheidu­ng fiel in seiner Ressortzus­tändigkeit.“Im Klartext: ohne besondere Abstimmung mit dem Kanzleramt.

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QUELLE: DPA | FOTO: EPD | GRAFIK: DPA, RP

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