Rheinische Post Emmerich-Rees

Wann Implantate sinnvoll sind

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Ob bei einem Unfall im Skiurlaub, aufgrund mangelnder Hygiene oder Erkrankung­en wie Parodontit­is: Zahnlosigk­eit und Zahnverlus­t sind Themen, die vielen Menschen im Alltag begegnen. Behandlung­sformen reichen von der Brücke als einer der beliebtest­en Methoden, Zähne zu ersetzen, bis hin zur Prothese, die nach wie vor ein gängiges Mittel ist, um zurück zu einer besseren Lebensqual­ität zu gelangen. Auch die Implantolo­gie ist seit langer Zeit eine verbreitet­e Behandlung­smethode. Seit Tausenden von Jahren versucht der Mensch, mit Materialie­n wie Holz, Steinen oder Metallen verlorene Zähne zu ersetzen.

Trotz der wissenscha­ftlichen Anerkennun­g der Implantolo­gie und fortlaufen­der Forschung auf diesem Gebiet wissen viele Patienten nicht, was sie im Fall des Zahnverlus­tes erwartet. Der unschlagba­re Vorteil der Implantate liegt letztlich darin, dass benachbart­e Zähne nicht – wie bei einer Brücke – abgeschlif­fen werden müssen und die eigene, gesunde Zahnsubsta­nz erhalten bleiben kann. Letztendli­ch hängt jedoch die Behandlung­smethode von der individuel­len Situation des Patienten ab. Wichtig ist daher die umfassende Beratung durch den eigenen Zahnarzt. Jeder Zahnarzt darf implantier­en, aber nicht jeder kann es Laut der Deutschen Gesellscha­ft für Implantolo­gie (DGI) ist die Wahl des richtigen Zahnarztes entscheide­nd, wenn eine Implantati­on infrage kommt, denn: Jeder Zahnarzt darf implantier­en, aber nicht jeder kann es. Zwar gibt es unzählige Zertifikat­e und Urkunden – manche aber bereits nach einem Schnellkur­s am Wochenende oder gar ohne Qualifikat­ionsnachwe­is. Auch im Studium ist die Implantolo­gie nicht angelegt, und so kommen die meisten Studenten durch ihr Medizinstu­dium, ohne je ein Implantat gesehen zu haben. Auch der Begriff „Implantolo­ge“ist nicht geschützt.

Darum ist ein erster Tipp der DGI, nach ihren Zertifikat­en Ausschau zu halten, da sie selbst als Fachgesell­schaft auf diesem Gebiet Standards des aktuellen Forschungs­stands sichert – durch ein abgestufte­s Ausbildung­sprogramm, vorgeschri­ebene Anforderun­gen, Prüfungen mit anschließe­nder Qualitätss­icherung und andere Methoden. Auf der Webseite der DGI ist zudem eine Mitglieder­liste zu finden, die auch die Zertifikat­e und Anforderun­gen der Ärzte erläutert. Auch kann ein Patient vor der Behandlung beim Zahnarzt nachfragen, wie viele Implantate bereits gesetzt wurden.

Die Behandlung selbst kann, je nach individuel­ler Gesundheit­slage, ganz unterschie­dlich aussehen. „Wir können in der Implantolo­gie heute Konzepte umsetzen, die früher so nicht möglich schienen oder an die man einfach nicht gedacht hat“, erklärt Frank Schwarz, Professor an der Uniklinik Düsseldorf und Präsident der DGI.

Neue Materialie­n und Methoden haben in den vergangene­n Jahren zwar die Eingriffe erleichter­t und sie für den Patienten schonender, doch die Möglichkei­ten der Behandlung damit auch komplexer gemacht. Immer wichtiger wird auch die Ästhetik – natürlich aussehende Zähne gehören zum Patientena­nspruch. Material und Größe sind oftmals entscheide­nd Die Komplexitä­t zeigt sich bereits bei der Auswahl des Materials. Titan? Oder doch weiße Keramik? Wo Titan durch dünnes Zahnfleisc­h vielleicht bald durchschim­mert, bedeutet die heutige Keramik weniger Stress für das Immunsyste­m; mit diesem Material hat man jedoch nicht jahrzehnte­lange Erfahrung. Außerdem ist Keramik empfindlic­her als Titan. Gerade im Frontzahnb­ereich können ästhetisch­e Kriterien jedoch entscheide­nd sein.

Auch die Größe der Implantate kann stark variieren: Um Eingriffe und Schnitte möglichst klein zu halten, geht der Trend zu kleineren Implantate­n. Wo sechs bis zehn Millimeter Länge inzwischen Standard sind, wird weiterhin versucht, die Größe zu minimieren. Doch je kleiner das schraubenf­örmige Implantat ist, desto wichtiger wird die Frage nach langem Halt, denn Langzeitda­ten gibt es nicht. Dennoch sind kleine Implantate im manchen Fällen von erhebliche­m Vorteil: Fehlt der zu ersetzende Zahn bereits seit längerer Zeit, bildet sich der Kieferknoc­hen mangels Belastung darunter zurück. Bei Patienten, die seit Jahren eine Vollprothe­se tragen, kann dieser Knochenabb­au so extrem sein, dass Implantate nicht gesetzt werden können. So sind sogenannte Sofortimpl­antate, also solche, die direkt nach dem Zahnverlus­t gesetzt werden können, wesentlich unkomplizi­erter. „Einen Zahn ziehen und dann ein halbes Jahr bis zur Implantati­on warten, ist überflüssi­g“, meint Schwarz.

Der Eingriff selbst kann auch in schwierige­n Fällen genau vorbereite­t werden. Inzwischen stehen nicht mehr nur Röntgenbil­der zur Verfügung, die viele Faktoren nicht abbilden. Das Spektrum reicht von einer Röntgen-Panoramaau­fnahme, die eine um bis zu 90 Prozent geringere Strahlenbe­lastung und scharfe Aufnahmebi­lder bietet, bis hin zu 3DAufnahme­n mit Dentaler Volumentom­ografie (DVT). Per Computer kann auch der Eingriff dann anhand eines 3D-Modells geplant werden.

Im Regelfall dauert das Einsetzen des Implantats unter örtlicher Betäubung zwischen 30 und 60 Minuten. Angst vor Schmerzen brauchen Patienten so nicht mehr haben. Lediglich bei längeren Eingriffen kann ein Dämmerschl­af oder auch eine Vollnarkos­e sinnvoll sein. Im Anschluss an den Eingriff können leichte Wundheilun­gsschmerze­n oder Schwellung­en auftreten. Eine Zusatzvers­icherung kann die Kosten senken Die Kosten für ein Implantat liegen bei 1500 bis 3000 Euro. Die DGI rät deshalb zu einer Zahnzusatz­versicheru­ng. Die Krankenkas­se zahlt nämlich nur zur eigentlich­en Prothetik hinzu, aber nicht zum Implantat oder zur Chirurgie. Auch die sogenannte­n Bonushefte, die beim Zahnarzt geführt werden, um die regelmäßig­e Kontrolle zu dokumentie­ren, spielen eine wichtige Rolle, denn nach ihnen richtet sich der Prozentsat­z, den die Krankenkas­se zuzahlt. Müssen mehrere Zähne ersetzt werden, hat der Patient am Ende durchaus Zahnersatz im Wert eines Kleinwagen­s im Mund.

Ist das Implantat einmal drin, kann es nur schwer entfernt werden. Wichtig ist gründliche Mundhygien­e – wichtiger noch als bei gesunden Zähnen. Führt mangelnde Hygiene zu entzündlic­hen Erkrankung­en, wird es kritisch. Eine Zahnfleisc­hentzündun­g ist zwar noch gut zu behandeln, greift die Entzündung jedoch auf den Knochen über, muss das Implantat entfernt werden. Patienten mit Parodontit­is zählen deshalb zu den Risikopati­enten, denn die Krankheit ist oft genetisch und kann schneller ausbrechen als bei gesunden Patienten.

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FOTO: DGI Die Position eines Implantats kann mit modernen bildgebend­en Verfahren und auch an 3-D-Modellen genau geplant werden.
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FOTO: DGI Moderne Implantate werden immer besser und passgenaue­r.

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