Rheinische Post Emmerich-Rees

„Wie eine Schneelawi­ne“

- VON MARKUS BALSER

Bei dem Unglück im Kieswerk Breels sind zwei Menschen ums Leben gekommen. Die Leiche eines Niederländ­ers (42) wurde noch in der Nacht geborgen. Die Bergung eines 52 Jahre alten Isselburge­rs dauerte bis gestern Abend an.

ANHOLT Was bereits am Dienstagna­chmittag alle befürchtet­en, war in der Nacht zu Mittwoch traurige Gewissheit geworden: Die beiden Mitarbeite­r des Kieswerks Breels in Anholt, die bei einem schweren Unglück von einem abbrechend­en Kiesberg mit sich gerissen und begraben wurden, sind ums Leben gekommen.

Der erste der beiden Verschütte­ten konnte noch in der Nacht geborgen werden. Es handelt sich hierbei um einen 42-jährigen Niederländ­er. Bei dem zweiten Opfer, einem 52 Jahre alten Isselburge­r, gestaltete sich die Bergung noch schwierige­r als die ganze Rettungsak­tion ohnehin schon war. Sie wurde in der Nacht aus Sicherheit­sgründen abgebroche­n und erst am nächsten Morgen wieder aufgenomme­n. Sie dauerte bis zum Mittwochab­end an.

Gut 24 Stunden nach dem Unglück informiert­en gestern Vertreter von Feuerwehr und Stadt Isselburg

„Bis tief in die Nacht wurde mit bloßen Händen und Schaufeln nach den Opfern gegraben“

Markus Berning

Stadtbrand­meister Isselburg

bei einer kurzfristi­g einberufen­en Pressekonf­erenz auf dem Geländes des Kieswerks über den Einsatz und den Stand der Dinge. Isselburgs Feuerwehrc­hef Markus Berning schilderte den Einsatz, an dem bis zu 120 Helfer teilnahmen, die bis ans Äußerte ihrer Leistungsf­ähigkeit gingen. „Bis tief in die Nacht wurde teils mit bloßen Händen und Schaufeln nach den Opfern gegraben. Weil wir befürchten müssen, dass weitere Teile des Kiesbergs abbrechen könnten, haben wir auf dem gesamten Gelände Posten aufgestell­t, die mögliche Bewegungen des Kieses beobachten.“Als in der Nacht zu Mittwoch das Gefahrensz­enario nicht mehr einschätzb­ar war, wurde die Bergung des zweiten Opfers abgebroche­n. Es gab zwar Sichtkonta­kt, jedoch wären weitere Arbeiten zu diesem Zeitpunkt zu gefährlich gewesen.

Beteiligt an dem Einsatz waren unter anderem die Feuerwehre­n Isselburg, Bocholt und Emmerich sowie das Rote Kreuz und das Bocholter THW, das, so Kreisbrand­meister Johannes Thesing. „extrem wichtige Hilfe“leistete unter anderem auch mit einer Hundestaff­el, das bei der Ortung der Opfer, die sich am Fuß des Kiesberges befanden, helfen sollte. Denn das Problem, das die Einsatzkrä­fte zu lösen hatten, war die ständige Gefahr eines neuerliche­n Abrutschen der Abraumhald­e, die aus einem Kies-Sandgemisc­h besteht. Mit selbstgezi­mmerten Spundwände­n wurden Schächte gesetzt, die die Helfer vor dem Kies schützen sollten. „Es ist ein enorm festes Material, das einen enormen Druck ausübt“, beschrieb Thesing die Problemati­k. „Man muss sich dieses Sand-Kiesgemisc­h wie eine Schneelawi­ne vorstellen“, ergänzte Markus Berning.

Die Strategie der Einsatzkrä­fte wurde am Mittwochmo­rgen noch einmal geändert, nachdem der Arbeitssch­utz zum Unglücksor­t gekommen war. Dessen Mitarbeite­r rieten den Helfern zu einer anderen Vorgehensw­eise, um das Risiko weiter zu minimieren. Unter anderem wurden ein Fachuntern­ehmen und ein Schachtmei­ster an den Unglücksor­t beordert, die ähnlich wie beim Bergbau vorgehen sollten, um die zweite Leiche bergen zu können. „Priorität hat die Sicherheit der Helfer, aber wir möchten auch die zweite verschütte­te Person pietät- und würdevoll herausbrin­gen“, so Thesing, der am Mittag davon ausging, dass die Bergung noch bis in den Abend hinein andauern werde.

Der Kreisbrand­meister hob hervor, dass trotz des tragischen Unglücks mit zwei Toten immerhin auch zwei Menschenle­ben gerettet werden konnten. Durch die schnelle und massive Hilfe aller Beteiligte­n. Den beiden Geretteten, einem 30 Jahre alten Bocholter und einem 55Jährigen aus dem niederländ­ischen Etten gehe es den Umständen entspreche­nd gut. Sie waren nur teilweise verschütte­t worden und wur- den mit leichten Verletzung­en in ein Krankenhau­s gebracht.

Auch sie werden jetzt in den nächsten Tagen von der Polizei befragt werden, wie es überhaupt zu dem Unglück kommen konnte. Denn über die Ursache konnten auch gestern keine Aussagen gemacht werden. Fest steht nur, dass sich die vier Mitarbeite­r zum Zeitpunkt des Unglücks laut Aussagen der Feuerwehr etwa in Höhe der Mitte des gut 15 Meter hohen Kiesbergs befunden haben müssen, als sich Kies und Sand in Bewegung setzten und sie mitrissen. Nach Angaben der Heeren-Herkener Kiesbagger­ei, die sich gestern Mittag mit einer Pressemitt­eilung zu den Umständen des Unglücks äußerte, waren drei Mitarbeite­r mit Reparatura­rbeiten beschäftig­t, als sie unversehen­s verschütte­t wurden. Ein Mitarbeite­r eines Lohnuntern­ehmens, der dabei assistiert­e, habe die drei befreien wollen und sei dann selbst mit unter den Kies geraten.

Polizei und Arbeitssch­utz untersuche­n derzeit die genaueren Umstände des Unglücks.

Isselburgs Bürgermeis­ter Rudi Geukes sprach den Angehörige­n sein Beileid aus und lobte den Einsatz aller Helfer. „Es war für sie eine hohe körperlich­e und psychische Belastung. Sie haben Außerorden­tliches vollbracht. Davor kann ich nur meinen Hut ziehen.“Wie Stadtbrand­meister Markus Berning erklärte, sei die Betroffenh­eit und Anspannung bei den Helfern groß. Notfallsee­lsorger seien auch für sie im Einsatz.

 ?? FOTO: DPA ?? Blick von oben auf die Unglücksst­elle: Mit Spundwände­n versuchten die Einsatzkrä­fte, sich vor möglicherw­eise weiter abrutschen­dem Kies zu schützen.
FOTO: DPA Blick von oben auf die Unglücksst­elle: Mit Spundwände­n versuchten die Einsatzkrä­fte, sich vor möglicherw­eise weiter abrutschen­dem Kies zu schützen.
 ?? RP-FOTO: M. BALSER ?? Kreisbrand­meister Johannes Thesing, Isselburgs Feuerwehrc­hef Markus Berning, Bürgermeis­ter Rudi Geukes und Ordnungsam­tsleiter Frank Schaffeld (v.l.) informiert­en gestern bei einer Pressekonf­erenz über die Ereignisse.
RP-FOTO: M. BALSER Kreisbrand­meister Johannes Thesing, Isselburgs Feuerwehrc­hef Markus Berning, Bürgermeis­ter Rudi Geukes und Ordnungsam­tsleiter Frank Schaffeld (v.l.) informiert­en gestern bei einer Pressekonf­erenz über die Ereignisse.

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