Et das Schauspielhaus
s in zwei Arbeiten, die er eigens geschaffen hat, um die Renovierung on exklusiv im Online-Shop der Rheinischen Post zu kaufen.
hat früh mit digitalen Mitteln gearbeitet. Die Kamera war für ihn immer eine Möglichkeit. Was ihn zum Fotokünstler macht, auch wenn er selbst den Begriff nicht schätzt, ist der Blick des Fotografen, der die Wirklichkeit auf ihren ästhetischen Gehalt hin betrachtet, sich für einen Ausschnitt entscheidet und den gestaltet. Und sein tiefes Wissen um die technischen Mittel der Fotografie, die er erneuert, verfremdet, auf ihre Wirkung befragt.
Ruffs Bildsprache ist radikal nüchtern. Darin erinnert er an seine Lehrer Bernd und Hilla Becher an der Düsseldorfer Kunstakademie, die mit ihren Industrie-Abbildern schon in den 1970er Jahren der sachlichen Dokumentarfotografie Kunstrang verschafften. Doch geht es Ruff nicht um eine vermeintlich verborgene Wahrheit in der nüchtern betrachteten Realität, sondern tatsächlich um die Oberfläche. Um den Schauwert der Dinge. Um deren Qualität als Objekt.
Auch Menschen hat er schon zu solchen Objekten gemacht. Ziemlich am Anfang seiner Karriere, als er in den 1980er Jahren Freunde und Kommilitonen porträtierte, ernst wie auf Passbildern, und die Aufnahmen großformatig abzog. Durch die Vergrößerung sollte das Medium selbst kenntlich werden, sollte zwischen Betrachter und Wirklichkeit treten, Aufmerksamkeit für sich beanspruchen.
Irgendwelche Angaben zu den Porträtierten, Alter, Beruf lieferte Ruff nicht. Schon damals war das die Absage an eine Fotografie, die psychologische Wahrheiten ergründen und transportieren, Fenster in die Seele sein will. Ruff geht es um den Eigensinn von Bildern. Und so zeigen seine Fotos betont Vordergründiges – die Jugend in Gesichtern, die Zeitverhaftetheit von Kleidern, Frisuren, Mode – und ergeben das Porträt einer ganzen Generation.
Diese Kühle im Umgang mit dem Objekt, die den Abbildcharakter von Fotografie betont, war damals neu. Und provokant. Sie ist Ruffs Markenzeichen geblieben, weil der nüchterne Blick, die Suche nach dem Typischen, seinem Kunstverständnis entspricht. Darum ist sein Werk auch nicht so heterogen, wie es auf den ersten Blick erscheint. Die Serien verbindet, dass es darin um den ästhetischen Gehalt ihres Gegenstands geht und dass dieser mit größtmöglicher Präzision herausgestellt wird. Bei Ruff zählen Aufbau und Komposition eines Bildes – unabhängig von Genre und Sujet. Es geht um die technische Umsetzung, darin sind seine Bilder objektiv. Doch es geht auch um den subjektiven Zugriff auf Wirklichkeit und die künstlerische Gestaltung eines Bildes bis zu jenem Moment, da die Arbeit „stimmig“ist, wie Ruff sagt. Den Moment also, da aus einem Foto ein Werk wird. Und so führt Ruff nun in einen schma- len Raum gleich neben der hellen Atelierhalle. Weiße Schreibtische stehen an der Wand, darauf Computerbildschirme. Ruff öffnet ein Programm, mit dem gewöhnlich Architekten arbeiten. Er kann damit zweidimensionale Zeichnungen in den dreidimensionalen Raum überführen, kann aus Grundrissen Körper machen und deren Oberfläche bestimmen. Kann sie grafisch in Aluminium, Holz, Glas verwandeln. Anders als Architekten geht es Ruff aber nicht um das Aussehen dieser Oberflächen, sondern um deren Lichtdurchlässigkeit. Denn er nutzt das hochmoderne Programm, um eine Frühform der Fotografie wiederzubeleben: Fotogramme, Lichtbilder.
Für eine weitere Arbeit über das Düsseldorfer Schauspielhaus hat Ruff einen vereinfachten Grundriss des Pfau-Gebäudes in das Architekten-Programm eingespeist. Gut sind die geschwungenen Linien der Fassade und der Bühnenturm in der Mitte zu erkennen. Auf dem nächsten Bild hat Ruff aus dem Grundriss einen vereinfachten Körper erstellt und den Fassaden Materialien zugewiesen. Nun platziert er im Programm Lichtquellen, leuchtet das virtuelle Schauspielhaus in seiner digitalen Black Box aus. Im Computer entsteht eine Lichtzeichnung, wie sie Fotopioniere bereits Anfang des 19. Jahrhunderts erstellten, indem sie Gegenstände auf lichtempfindliches Papier legten und in die Sonne schoben. So konn-
Thomas Weski ten sie die Umrisse jedes gewünschten Gegenstands wirklichkeitsgetreu abbilden. Bald bedienten sich Künstler wie Man Ray der Technik, um Bilder mit surrealistischen Effekten zu entwickeln. Ruff transponiert also eine Frühform fotografischer Technik ins digitale Zeitalter, belichtet digital erzeugte Gegenstände mit virtuellem Licht und schafft so abstrakte Bilder, die doch untrüglich etwas Reales zeigen: das Düsseldorfer Schauspielhaus.
Auf dem Bildschirm erscheint die Lichtzeichnung nun in intensiven Farben, die Ruff am Computer bestimmt hat, nach seinem Empfinden. Wie ein Maler. „Daran kann man ewig weiter arbeiten“, sagt er, „aber es gibt den Moment, da man weiß, dass die Arbeit fertig ist. Jede weitere Veränderung würde dem Bild nichts bringen.“Er lehnt sich zurück, betrachtet das Spiel von Licht, Schatten, Farbe auf seinem Bildschirm – das bei aller Abstraktion doch das Porträt eines Gebäudes ist. „Es ist eine alte Technik“, sagt er, „man muss sie nur weiterdenken.“
So ist Thomas Ruff zu einem Künstler geworden, der früh verstanden hat, dass die Digitalisierung nicht nur irgendeine technische Erfindung ist, sondern alle Lebensbereiche durchdringt, ihr Wesen verändert. In Ruffs Arbeiten ist die Digitalisierung selbst am Werk, verwandelt die alten Methoden der Fotografie, lässt sie etwas gänzlich Neues erschaffen. Bis aus einer analogen technischen Zeichnung des Schauspielhauses ein virtuelles Lichtgemälde geworden ist – das Werk eines Künstlers, der die Regeln der Fotografie beherrscht. Und schon begonnen hat, sie in die Bildsprache der Zukunft zu übersetzen.
Dorothee Krings
„Ruff untersucht in seiner künstlerischen Forschung die Möglichkeiten der Fotografie“
Kurator