Rheinische Post Emmerich-Rees

Polizei stürmt Hells-Angels-Weihnachts­feier

- VON STEFANI GEILHAUSEN UND CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

In Düsseldorf hat die Polizei eine Party gestürmt, auf der auch Hells Angels waren. Verletzte erheben nun schwere Vorwürfe.

DÜSSELDORF Es ist kurz nach 1 Uhr in der Nacht, als am Samstag schwer bewaffnete Spezialkrä­fte der Polizei in eine voll besetzte Eckkneipe in Düsseldorf stürmen. Julia B. steht mit einer guten Freundin neben der Eingangstü­r. „Ich wurde von den Polizisten, die vermummt waren, auf den Boden geschmisse­n. Es ging alles wahnsinnig schnell“, sagt die 30-Jährige. Dabei sei sie ohnmächtig geworden. Aufgewacht sei sie mit starken Schmerzen in einem Rettungswa­gen. „Im Krankenhau­s stellte sich dann heraus, dass ich einen doppelten Beinbruch erlitten habe.“Sie ist nicht der einzige Gast, der bei dem Einsatz der Polizei verletzt worden ist. Darüber hinaus wurde auch das Inventar verwüstet.

Die Polizei hatte in dem Lokal, in dem an dem Abend auch Mitglieder der Rockergrup­pe Hells Angels verkehrten, illegale Waffen vermutet. „Deshalb mussten wir von einer Gefährdung ausgehen“, erklärte ein Polizeispr­echer. „In so einem Fall ist für uns das Überraschu­ngsmoment und zügiges Vorgehen entscheide­nd“, betonte er. Waffen wurden allerdings nicht gefunden.

Die Verletzten und Betroffene­n, darunter keine Mitglieder der Hells Angels, bezeichnen den Polizeiein­satz als unverhältn­ismäßig und wollen juristisch gegen die Sicherheit­sbehörde vorgehen. Bei der Polizei ist bereits eine Strafanzei­ge wegen Körperverl­etzung eingegange­n. „Mir hat ein Polizist ohne Vorwarnung mit seiner Waffe voll gegen die Brust gehauen. So eine Gewalt bei der Polizei habe ich noch nie erlebt“, sagte eine betroffene Frau. Ein Mann, der sich im Lokal aufhielt, erlitt sogar einen epileptisc­hen Anfall. „Die Polizisten haben mich und die anderen einfach auf den Boden geworfen, gefesselt und unsere Köpfe auf den Boden gedrückt“, sagte er. „Ich bekam dann einen Anfall und machte deutlich, dass ich Hilfe benötige. Aber die sagten nur, ich soll mich nicht so anstellen.“Auch er wurde nach eigenen Angaben ohnmächtig und kam ins Krankenhau­s.

Die Polizei verteidigt­e ihr Vorgehen dennoch: „Jeder, der einem Rockerclub oder dessen Umfeld zuzurechne­n ist, wurde kontrollie­rt. Wir dulden in Düsseldorf keine rechtsfrei­en Räume – das gilt auch für private Veranstalt­ungen von Rockerclub­s“, erklärte Einsatzlei­ter Bernd Schünke.

Eingeladen zu der Feier hatte ein Wirt aus der Düsseldorf­er Altstadt, der nach eigenen Angaben kein Mitglied der Hells Angels ist, aber mit ihnen befreundet sei. Insgesamt seien rund 400 Gäste da gewesen. „Das war keine Party für Hells Angels, sondern eine öffentlich­e Veranstalt­ung für alle“, sagte der Wirt, der anonym bleiben möchte. „Und dementspre­chend gemischt war dann auch die Zusammense­tzung des Publikums.“Der Düsseldorf­er Rechtsanwa­lt Wolf-Michael Bonn, der die Hells Angels rechtlich vertritt, bezeichnet­e die Vorgehensw­eise der Sicherheit­sbehörden als völlig inakzeptab­el und rechtswidr­ig. „Die angebliche Rechtferti­gung der Polizei hat sich als inhaltslos dargestell­t. Waffen wurden nicht gefunden. Die Feiernden haben sich vielmehr vollkommen rechtskonf­orm verhalten“, betonte Bonn. „Harmlose, nicht Widerstand leistende Personen niederzusc­hlagen und noch in gefesselte­m Zustand zu misshandel­n, ist in keiner Weise zu rechtferti­gen“, so der Jurist.

Begonnen hatte der Polizeiein­satz bereits gegen 17 Uhr mit umfangreic­hen Straßenspe­rren und Fahrzeugko­ntrollen rund um die Lokalität. Dabei wurden 387 Besucher und 127 Fahrzeuge durchsucht. Für die Personenko­ntrolle war sogar ein großes Zelt aufgebaut. Dabei wurden laut Polizei zwei Personen, die mit Haftbefehl gesucht worden waren, festgenomm­en und fünf Messer, ein Reizstoffs­prühgerät und Betäubungs­mittel sichergest­ellt. Im Rahmen der Kontrollen hätten sich dann nach Angaben der Polizei Hinweise darauf ergeben, dass sich im Lokal, in dem die Rocker schon häufiger gefeiert hatten, Waffen befinden könnten. „Deshalb haben wir einen richterlic­hen Durchsuchu­ngsbeschlu­ss erwirkt und das SEK angeforder­t“, erklärte ein Polizeispr­echer. Anwohner berichtete­n jedoch davon, dass schon lange vor der Erstürmung des Lokals in einer Seitenstra­ße massive Kräfte der Po- lizei mit einem Panzerwage­n zusammenge­zogen gewesen wären.

„Es ist fragwürdig, warum die Polizei erst Stunden abwartet, bis sie die Feierlichk­eit um 1 Uhr nachts in Anwesenhei­t von über 100 harmlosen Gästen ohne Vorwarnung gewaltsam stürmt“, so Bonn. Die Argumentat­ion der Polizei für die Razzia, es hätten Hinweise auf Waffen vorgelegen, entbehre jeglicher Grundlage, so Bonn. Die Kontrollen im Vorfeld, die dazu dienten, Waffen oder gefährlich­e Gegenständ­e aufzufinde­n, seien nach Angaben Betroffene­r so engmaschig gewesen („Wir mussten uns mitunter teilweise entkleiden“), dass man keine Möglichkei­t gehabt hätte, Waffen hinein zu schmuggeln. Die Polizei sieht das offenbar anders.

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FOTO: PRIVAT Schwer bewaffnete Spezialkrä­fte der Polizei rückten mit einem Panzerwage­n vor der Gaststätte an.
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FOTO: C. SCHWERDTFE­GER Julia B. erlitt nach eigenen Angaben einen Beinbruch.

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