Rheinische Post Emmerich-Rees

CSU-Machtwechs­el setzt Merkel unter Druck

- VON GREGOR MAYNTZ

Fast einstimmig entscheide­t sich der CSU-Parteitag für Markus Söder als Nachfolger von Horst Seehofer als Regierungs­chef. Seehofer trifft nun auf eine CDU, die die Erneuerung noch vor sich hat.

NÜRNBERG Als könne er es noch nicht ganz fassen, was gerade vor sich geht, schließt Horst Seehofer (68) die Augen, saugt in sich auf, was sein Dauerrival­e Markus Söder (50) alles an Lob für ihn auf die Bühne bringt, um die Delegierte­n dazu aufzurufen, Seehofer als Parteichef wiederzuwä­hlen. Vielleicht denkt Seehofer auch daran, was er selbst gerade über Söder gesagt hat. Jahrelang hat er das Drängen Söders abgewehrt, ihm gar „Schmutzele­ien“unterstell­t. Und nun bescheinig­t er ihm, immer alles richtig gemacht zu haben. Und die „Friktionen“, die seien doch „nichts als der Effekt einer Knallerbse“gewesen.

Das Manöver zur Teilung der Macht inszeniere­n die beiden Alphatiere der Christsozi­alen als Harmonieve­ranstaltun­g mit größtmögli­cher Geschlosse­nheit. Die CSU sei nicht nur eine Partei, hat Seehofer gesagt. Sie sei auch „ein Lebensgefü­hl“. Dieses Lebensgefü­hl ist untrennbar mit der absoluten Mehrheit verbunden. Die ist in Gefahr, seit die CSU bei der Bundestags­wahl auf 38,5 Prozent schrumpfte. Schuld daran hatte auch der Streit zwischen den Unionspart­eien um die Flüchtling­spolitik, den CDUChefin Merkel und Seehofer erst nach der für beide enttäusche­nden Bundestags­wahl beilegten. Nun soll es auch in der beinharten Auseinande­rsetzung um die Seehofer-Nachfolge vorweihnac­htliches Wohlgefühl wieder richten.

83,7 Prozent bekommt Seehofer. Das ist schlechter als bei allen vorherigen Wiederwahl­en als Partei- chef. Gemessen daran, dass bei der CSU Wahlverlie­rer aber gemeinhin in die Wüste geschickt werden, ist es sehr gut. Jedenfalls kann Seehofer damit in Berlin tüchtig mitverhand­eln. Und vielleicht tritt er dann auch in eine neue Bundesregi­erung ein. Das würde zum Zeitplan in München passen, wo er „im ersten Quartal“Söder die Regierungs­geschäfte übergeben will. Der wird beim Parteitag in Nürnberg mit überwältig­ender Akklamatio­n bei nur einer Handvoll Gegenstimm­en zum Spitzenkan­didaten gewählt.

Geschlosse­nheit auch bei den anderen Posten an der Parteispit­ze: Weil es sechs Bewerber für fünf Stellvertr­eter-Posten gibt, wird Agrarminis­ter Christian Schmidt überredet, erst gar nicht wieder anzutreten. So machen denn der 60jährige Schmidt und die 73-jährige Barbara Stamm Platz für die 42-jäh- rige Gesundheit­sministeri­n Melanie Huml und die 39-jährige Verkehrsst­aatssekret­ärin Dorothee Bär. Kurt Gribl (53), Angelika Niebler (54) und Manfred Weber (45) sind die weiteren Vize.

„Von fünf stellvertr­etenden Vorsitzend­en drei Frauen – das gab es noch nie“, sagt Bär freudestra­hlend. Und bei einem Vergleich dieser Riege bei CSU und CDU stellt sich heraus, dass die CDU-Spitze mit Volker Bouffier (65), Thomas Strobl (57), Armin Laschet (56), Ursula von der Leyen (59) und Julia Klöckner (45) nicht nur männlicher, sondern auch im Schnitt zehn Jahre älter ist. Obendrein hat die CSU mit Söder als künftigem Regierungs­chef den Generation­enwechsel bereits eingeleite­t. „Ich bin froh dass wir die Erneuerung haben, andere können sich an der CSU ruhig ein Beispiel nehmen“, sagt Bär, auch wenn sie sich in die Belange anderer Parteien nicht einmischen wolle.

So weckt der Wechsel nicht nur Wehmut bei Seehofer, er erzeugt auch Druck auf Merkel. Nun wird die Erwartung umso größer, auch bei der CDU Signale der Erneuerung zu setzen. Die sind bislang ausgeblieb­en. Während die CSU an der Spitze der gemeinsame­n Fraktion im Bundestag die 67-jährige Gerda Hasselfeld­t durch den 47-jährigen Alexander Dobrindt ersetzte, hielt die CDU am 68-jährigen Volker Kauder als Fraktionsc­hef fest.

Bei der CDU fehlt einer wie Söder: ein Talent, das von seinem Chef Gestaltung­sspielraum in Form eines Finanz- und eines Heimatmini­steriums erhält – und das diesen dann emsig nutzt, um sich Unterstütz­er in jenem Gremium zu schaffen, das den Ministerpr­äsidenten wählt, in der Fraktion. Wenn das Söder-Seehofer-Muster bei der CDU ebenfalls laufen sollte, hätte Merkel schon längst einen wie zum Beispiel Jens Spahn zum wichtigen Minister machen müssen. Sie wisse, dass sie um Signale der personelle­n Erneuerung kaum noch herumkomme, heißt es bei Unionsgran­den.

Aber einen wichtigen Schritt hat auch die CSU noch vor sich. Seehofer will Söder im Landtagswa­hlkampf „unterstütz­en“, der bevorzugt eine andere Wortwahl und will „kämpfen“. So scheint denn bei der CSU erst einmal nur für den Start ins Jahr 2018 alles gerichtet zu sein. Wie es an der Parteispit­ze weitergeht, könnte bereits am Wahlabend im September in den Vordergrun­d rücken – sollte die teilerneue­rte CSU dann alt aussehen.

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FOTO: DPA Der Friede von Nürnberg: Bayerns scheidende­r Ministerpr­äsident Horst Seehofer (l.) und sein designiert­er Nachfolger Markus Söder.

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